Kann „Frischzellentherapie“ als bedenkliches Arzneimittel verboten werden?

(DAV). Gerade bei chronischen Leiden setzen Betroffene oft auf alternative Behandlungsmethoden. Doch ist dabei Vorsicht geboten. Auch dürfen Unternehmen nicht alles herstellen, vertreiben und bewerben. Das ist etwa bei einer Frischzellentherapie aus tierischen Proteinen der Fall.

Wegen gesundheitlicher Risiken und der nicht nachgewiesenen Wirksamkeit wurde einem Unternehmen die Herstellung, Anwendung und Bewerbung von Frischzellen tierischer Herkunft für eine „Frischzellentherapie“ verboten. Die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landgerichts München I vom 27. November 2020 (AZ 1 HK O 18008/19).

Tierische Frischzellentherapie bei allerlei Beschwerden?

Das Unternehmen warb im Internet auf seiner Website für eine „Frischzellentherapie“ zur Anwendung am Menschen. Die Zelltherapie habe sich in der Praxis zur Behandlung verschiedener Indikationen bewährt, behauptete der Hersteller. Diese reichten von Altersbeschwerden mit körperlicher sowie geistiger Erschöpfung bis zu vegetativen und nervösen Symptomen bei chronischer Stressbelastung oder Reizbarkeit. Aber auch Konzentrationsmängel und Schlafstörungen, funktionelle und organische Herz-Kreislauf- und Gefäßkrankheiten, Diabetes, und weitere gesundheitliche Probleme sollten damit behandelt werden können. Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. klagte auf Unterlassung wegen des Verstoßes gegen Vorschriften im Heilmittelbereich.

Frischzellentherapie als bedenkliches Arzneimittel

Die Klage war erfolgreich. Das Gericht verbot dem Unternehmen die Herstellung, den Vertrieb und die Bewerbung.

Das Landgericht stufte – aufgrund mehrerer Gutachten – das Produkt als bedenkliches Arzneimittel ein (§ 5 Arzneimittelgesetz). Die Frischzellen hätten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch sogar schädliche Wirkung, die über ein nach Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.
Zwei wesentliche Risiken wurden identifiziert:

  • Das Risiko der Übertragung von Infektionserregern sowie
  • das Risiko immunologischer und allergischer Ereignisse, die durch Verabreichung eines Fremdproteins prinzipiell bestünden.

Auch die Wirksamkeit für die beworbenen Anwendungsbereiche war nicht wissenschaftlich erwiesen, urteilten die Richter.

Selbst wenn man unterstelle, dass das Unternehmen alle Maßnahmen bei der Herstellung ergreift, um sterile Bedingungen zu gewährleisten sowie eventuelle Viren und Bakterien inaktiv werden zu lassen, bliebe immer noch das Risiko der immunologischen bzw. allergischen Nebenwirkungen. Das Risiko, dass es bei solchen Reaktionen zu möglicherweise irreversiblen Schäden bei Patienten kommt, hielt das Gericht für unvertretbar groß. Außerdem sei der Nutzen der Anwendung nicht wissenschaftlich belegt worden.

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 25.06.2021

www.arge-medizinrecht.de