„Entstellend im Rechtssinne“ – Krankenkasse muss Kosten für Oberarmstraffung tragen

Celle/Berlin (dpa/tmn). Unter Umständen muss die Krankenkasse die Kosten für eine Oberarmstraffung nach einer starken Gewichtsabnahme übernehmen. Das ist dann der Fall, wenn durch einen massiven Hautüberschuss an den Oberarmen eine gravierende optische Entstellung entstanden ist. Über eine entsprechende Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. November 2020 (AZ: L 16 KR 143/18) informiert die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Die Frau hatte nach einer Schlauchmagenoperation 50 Kilogramm Gewicht verloren und litt nun unter massivem Hautüberschuss an beiden Oberarmen. Sie beantragte bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der Kosten für eine Oberarmstraffung. Der Hautüberschuss beeinträchtige sie in ihren Bewegungen und in der Hygiene. Außerdem habe sogar schon schmerzhafte Abszesse gehabt. Nachdem der Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) sie begutachtet hatte und zu dem Ergebnis „Nein, Kosmetik“ gekommen war, klagte die Frau.

In der zweiten Instanz hatte sie Erfolg. Die Frau habe Anspruch auf Gewährung einer beidseitigen Oberarmstraffung. „Dies folgt zwar nicht aus medizinischen Gründen, jedoch unter dem Gesichtspunkt einer Entstellung“, erklärte das Gericht. Die Richter hatten sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst ein Bild gemacht und waren zu dem Ergebnis gekommen, das Erscheinungsbild der Oberarme sei „entstellend im Rechtssinne“. Dies beziehe sich auf den bekleideten Zustand.
Ausschlaggebend für die Bewertung als Entstellung sei dabei nicht die subjektive Betrachtungsweise des Betroffenen, sondern allein ein objektiver Maßstab. Eine Entstellung liege vor, „wenn eine körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden ist, dass sie sich schon bei flüchtiger Bewegung in alltäglichen Situationen quasi ‚im Vorbeigehen‘ bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt“.

So sei es hier. An den Armen zeige sich eine massive Asymmetrie von Ober- und Unterarmen. Auch bei locker geschnittener Kleidung lägen die Ärmel an den Oberarmen sehr eng an, während sie an den Unteramen flatterten wie eine „Fahne im Wind“. Auf der Rückseite der Oberarme falle ein eiförmiger, voluminöser Gewebeüberhang ins Auge, der die Ellenbogen überdecke. Das Erscheinungsbild führe zu forschenden und entsprechend unangenehmen Blicken.

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 17.12.2020

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