Einwilligung in OP – Bedenkzeit nach Aufklärungsgespräch

(dpa/tmn). Vor einer Operation müssen die Patienten über die Risiken und Alternativen aufgeklärt werden. Ihr Einverständnis kann durch eine Unterschrift auf dem Aufklärungsbogen dokumentiert werden. Während einigermaßen Klarheit darüber besteht, dass eine Einwilligung am Vortag einer OP ausreicht, gibt es wenig zu der Frage, wieviel Bedenkzeit der Patient haben muss.

Der Patient muss seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen können. Daher ist eine Einwilligung, die durch Unterzeichnung des Aufklärungsformulars unmittelbar nach dem Ende des Aufklärungsgesprächs erfolgt, im Regelfall unwirksam. So wird ihm nicht die Möglichkeit gegeben, den Inhalt des Aufklärungsgesprächs so zu verarbeiten, dass er sich wohlüberlegt entscheiden kann. Dies entschied das Oberlandesgericht Bremen am 25. November 2021 (AZ: 5 U 63/20), wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt. Durch die spätere stationäre Aufnahme ins Krankenhaus erfolgt auch keine konkludente Einwilligung.

Genügend Bedenkzeit nach Aufklärungsgespräch vor OP?

Beim Kläger kam es nach Überweisung seitens eines HNO-Arztes in einer Fachklinik zu einer operativen Begradigung der Nasenscheidewand und Nasennebenhöhlenoperation. Drei Tage nach dem Rat dazu in der Ambulanz der Fachklinik kam es zu einem Aufklärungsgespräch. Unmittelbar daran unterzeichnete der Kläger die Operationseinwilligung, am Folgetag erfolgten die stationäre Aufnahme und die Operation.

Bei der Operation kam es zu Komplikationen: eine Hirnblutung, der Verletzung der vorderen Hirnschlagader und der Durchtrennung des Riechnervs. In der Folge kam es zu einer Intubierung und intensivmedizinischen Behandlung, einer Folge-OP, mehreren stationären und ambulanten Behandlungen in anderen Kliniken sowie ergotherapeutischen Behandlungen. Infolge der Operation befindet er sich in Pflegestufe 1, hat einen Behinderungsgrad von 90 und steht unter Betreuung seiner Ehefrau.

Der Kläger machte Schmerzensgeld und Haushaltsführungskosten geltend. Es habe kein Gespräch über die mit der Operation allgemein verbundenen Risiken stattgefunden. Insbesondere sei er über einen möglichen Hirnschaden mit Dauerfolgen nicht aufgeklärt worden. Die im Aufklärungsbogen aufgeführten Risiken seien insgesamt verharmlosend dargestellt und die Auswirkungen auf die Lebensführung bei der Realisierung der Risiken nicht aufgeführt worden. Zudem habe man ihn nicht darüber aufgeklärt, dass die Operation nicht dringlich gewesen sei. In Kenntnis der Risiken hätte der Kläger den Eingriff nicht durchführen lassen.

Das Landgericht hatte die Klage noch abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) gab dem Kläger teilweise recht.

Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen unwirksamer Einwilligung

Das OLG sprach dem Kläger einen Anspruch auf materiellen und immateriellen Schadensersatz zu, da die erste Operation wegen unwirksamer Einwilligung des Klägers nicht rechtmäßig war.

Das Gericht teilte aber nicht die Argumentation des Klägers, er sei nicht hinreichend über das Risiko eines Dauerschadens aufgeklärt worden. Zwar werde im Aufklärungsbogen ein Dauerschaden nicht ausdrücklich angesprochen. Jedoch sei dort das Risiko der Verletzung von Hirnhaut und Hirngewebe behandelt worden. Dass eine Hirn(haut)verletzung mit Hirnwasserfluss nicht nur zum Tod führen, sondern vorgelagert auch einen Dauerschaden verursachen kann, sei allgemein bekannt. Hier reichte dem Gericht, dass das Versterberisiko mündlich angesprochen wurde. Was die Aufklärung über die Möglichkeit eines Dauerschadens in Bezug auf den Geruchssinn anbelangt, gelte letztlich Ähnliches.

Zur Rüge der mangelhaften Aufklärung über Behandlungsalternativen stellte der Sachverständige bereits fest, dass keine im Heilungserfolg gleichwertigen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung standen.

Allerdings rügte das Gericht, dass dem Kläger nicht ausreichend Bedenkzeit eingeräumt worden war (§ 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB). Daher war seine Einwilligung unwirksam. Eine wohlüberlegte Entscheidung könne nur treffen, wer ausreichend Zeit zum Überlegen hat. Wenn der Patient unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung zur Unterschrift unter die Einwilligungserklärung bewegt werde, reiche dieser Zeitraum nicht aus. Ein Patient stehe dann noch stark unter dem Eindruck vieler ihm voraussichtlich unbekannter und schwer verständlicher Informationen.

Die Mitwirkung des Klägers bei der stationären Aufnahme stelle auch keine konkludente Einwilligungserklärung dar. Dem Patienten fehle es an dem notwendigen Erklärungsbewusstsein. Andererseits könne das Krankenhaus dem Verhalten des Patienten keinen Erklärungswert beimessen, solange beiden das Bewusstsein der Unwirksamkeit der Einwilligung fehlt.

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 28.08.2022

www.arge-medizinrecht.de