„Transplantationsskandal“: Krankenkasse muss Leistungen dennoch bezahlen

(DAV). Mit Hilfe des Transplantationsgesetzes (TPG) sollen Organspenden besser organisiert und die gerechte Verteilung sichergestellt werden. In dem Göttinger „Transplantationsskandal“ hatte ein Arzt für zwei Patienten falsche Angaben gemacht, damit sie früher eine Leber zur Transplantation erhielten. Sie rutschten in der Warteliste vor. Muss die Krankenkasse die Transplantationen dennoch bezahlen?

Die Transplantationen müssen vergütet werden. Dies entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 18. Januar 2022 (AZ: L 16/4 KR 506/19), informiert die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Schließlich hatte eine medizinische Indikation vorgelegen, und die Eingriffe erfolgten nach den Regeln der ärztlichen Kunst.

Lebertransplantation mithilfe falscher Angaben nach TPG

Die Universitätsklinik in Göttingen führte zwei Lebertransplantationen durch, für die sie rund 157.000 € gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse abrechnete. Das Geld verlangte die Krankenkasse aber zurück. Sie verwies auf formelle Verstöße gegen das Transplantationsgesetz (TPG). Der behandelnde Arzt hätte durch bewusste Falschangaben zu Dialysebehandlungen eine noch höhere Dringlichkeit der Transplantationen suggeriert. Dadurch seien die Patienten auf der Warteliste vorgerückt. Nach Meinung der Krankenkasse sei die Leistungen somit rechtswidrig zustande gekommen. Somit entfalle bei einer streng formalen Betrachtungsweise der Vergütungsanspruch.

Das Klinikum meint hingegen, dass die Transplantationen medizinisch notwendig waren und fachgerecht ausgeführt wurden. Die Patienten hätten ohnehin weit oben auf der Warteliste gestanden und kurzfristig ein Organangebot erhalten. Das Leben beider Patienten sei durch die transplantierten Lebern gerettet worden. Das Klinikum hätte damals auch keine Kenntnis von dem Fehlverhalten des Arztes gehabt.

Verstöße gegen Transplantationsgesetz – Krankenkasse muss Leistungen dennoch vergüten

Das Sozialgericht in Hildesheim folgte zunächst der Argumentation des Klinikums nicht. Anders jetzt aber das Landessozialgericht: Die Krankenkasse kann die Kosten nicht zurückverlangen.

Die medizinische Indikation zur Transplantation sowie die Durchführung der Eingriffe nach den Regeln der ärztlichen Kunst waren gegeben. Der Vergütungsanspruch der Klinik entfällt nicht wegen der unzutreffenden Angaben. Ein Verstoß gegen die Meldepflichten hat keinen Einfluss auf die Eignung der Transplantation.

Ziel des TPG sind die bessere Organisation von Organspenden und die Sicherstellung von Verteilungsgerechtigkeit, nicht jedoch die Qualitätssicherung der einzelnen Transplantation. Falschmeldungen mögen moralisch falsch sein, erklärten die Richter. Dieses Verhalten durch Rückforderungen zu „ahnden“ und damit einem Gerechtigkeitsempfinden Genüge zu tun, ist aber nicht Aufgabe der Krankenkasse.

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 18.03.2022

www.arge-medizinrecht.de