Haben Schwerkranke Anspruch auf Betäubungsmittel zur Selbsttötung?

(DAV). Die Möglichkeiten zur Selbsttötung schwerkranker Menschen werden intensiv diskutiert. Auch die Politik beschäftigt sich damit. Die Gesetzeslage gibt wenig Spielraum, trotz verfassungsrechtlicher Bedenken im Hinblick auf das absolute Verbot. Das hat bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerfG) auf den Plan gerufen, welches vorsichtige Öffnungen erlaubt.

Aber die Rechtssetzung ist dem Gesetzgeber vorbehalten. Darauf wies das Verwaltungsgericht Köln am 24.11.2020 (AZ: 7 K 8560/18 und weitere) ausdrücklich hin. Demnach haben schwerkranke Menschen nach derzeitiger Rechtslage keinen Anspruch auf den Zugang zu einem Betäubungsmittel zur Selbsttötung. Allerdings hat auch das Gericht Zweifel an der Rechtslage. Es verweist aber auf die Möglichkeit von Sterbehilfeorganisationen, informiert die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Möglichkeiten zur Selbsttötung Schwerkranker?

Die Kläger sind dauerhaft schwer krank (Multiple Sklerose, Krebs, schweres psychisches Leiden). Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragen sie die nach dem Betäubungsmittelgesetz notwendige Erlaubnis für den Erwerb des Betäubungsmittels Natriumpentobarbital. Dabei beriefen sie sich auf das aus dem Grundgesetz abzuleitende Grundrecht auf Selbstbestimmung über den eigenen Tod.

Des Weiteren auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (AZ: 3 C 19.15). Demnach ist der Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung mit dem Betäubungsmittelgesetz unter bestimmten Umständen vereinbar. Der Suizidwillige muss sich aber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befinden. Das BfArM lehnte die Anträge ab.

Nach einer ersten Verhandlung hatte das Verwaltungsgericht die Verfahren dem BVerfG vorgelegt, weil es die bestehende Rechtslage für verfassungswidrig hielt. Das BVerfG hatte die Vorlagen verworfen.

Die Klagen scheitern.

Kein Anspruch auf Betäubungsmittel für Suizidwillige

Das Verwaltungsgericht sah – anders als das BVerwG – aufgrund des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers auch in Ausnahmefällen keine Möglichkeit, den Erwerb eines Mittels zur Selbsttötung zu erlauben. Es hielt es aber auch für zweifelhaft, ob dieses im Betäubungsmittelgesetz enthaltene generelle Verbot mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht Suizidwilliger sah das Gericht aus folgendem Umstand nicht: Nachdem das BVerfG mit Urteilen das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für nichtig erklärt habe (AZ: 2 BvR 2347/15 u.a.), hätten Sterbehilfeorganisationen ihre Tätigkeit wieder aufgenommen.

Dies ergab sich aus Auskünften sachkundiger Stellen, die das Gericht einholte. Sterbehilfeorganisationen ermöglichten einen begleiteten Suizid auch ohne Inanspruchnahme von Natriumpentobarbital. Damit steht den Klägern eine Alternative zur Verfügung.

Zwar hielt das Gericht die Inanspruchnahme von Sterbehilfeorganisationen wegen der fehlenden staatlichen Überwachung und Intransparenz nach wie vor problematisch, hielt sie aber für eine Übergangszeit für zumutbar. Zumindest so lange, bis der Gesetzgeber ein tragfähiges Schutzkonzept für die Sterbehilfe und die Verwendung suizidgeeigneter Betäubungsmittel entwickelt hat.

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 01.10.2021

www.arge-medizinrecht.de