Schmerzensgeld: Patient muss fehlerhafte therapeutische Aufklärung beweisen

(DAV). Nach einer Injektion weist der behandelnde Arzt Patienten manchmal an, noch etwas warten, bis die temporären Symptome der Spritze abgeklungen sind, etwa Taubheitsgefühle. Was ist, wenn der Patient sich, statt zu warten, auf den Heimweg macht, stürzt und anschließend behauptet, eine solche Anweisung nicht erhalten zu haben?

Über einen Fall, in dem es um diese Frage ging, informiert die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Der Patient wurde wegen akuter Hüftbeschwerden ambulant in einer Klinik behandelt. Der Arzt injizierte ihm Cortison in das linke Hüftgelenk. Kurz danach klagte der Mann über neurologische Symptome im Bereich des linken Beins. Nachdem er die Klinik verlassen hatte, stürzte er nach einer Autofahrt und brach sich einen Außenknöchel. Er musste mehrfach operiert und eine Woche stationär behandelt werden.

Nach Aussage des Manns war es nach der Injektion zu einem starken Taubheitsgefühl im linken Bein gekommen. Das Bein sei ihm mehrfach weggesackt. Dies habe er der Arztsekretärin mitgeteilt. Doch weder habe der Arzt sich das angesehen, noch habe man überprüft, ob er den Heimweg antreten könne. Die Sekretärin habe ihm lediglich mitgeteilt, er könne nach zwei Stunden ohne Wiedervorstellung nach Hause fahren. Über die Folgen der Injektion, insbesondere die eingeschränkte Fahrtüchtigkeit, sei er nicht aufgeklärt worden. Dann hätte er sich nach der Behandlung abholen lassen und so den späteren Sturz vermeiden können. Er leide unter ständigen Schmerzen in Knie- und Hüftgelenk und habe bis heute seine Arbeit nicht wieder aufnehmen können.

Die Klinik widersprach: Sie habe den Mann aufgefordert, sich nach zwei Stunden erneut im Sekretariat zu melden. Dort sollte sich dann der behandelnde Arzt den Befund noch einmal genauer anschauen. Dem Patienten habe man ausdrücklich erklärt, er dürfe die Klinik nicht verlassen und sei nicht fahrtüchtig. Man habe ihn dann auch erfolglos in der Cafeteria und im Eingangsbereich gesucht.

Der Mann klagte wegen einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung unter anderem auf Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000 Euro und Schadensersatz. Doch weder in erster noch in zweiter Instanz hatte er Erfolg.

Therapeutische Aufklärung zur Sicherstellung des Heilerfolgs

Eine unzureichende therapeutische Aufklärung habe der Mann nicht beweisen können, so das Oberlandesgericht Hamm (Entscheidung vom 23. März 2018; AZ: 26 U 125/17). Strittig sei zwischen Klinik und Patient, ob letzterer ausreichend darüber informiert worden sei, dass er nach zwei Stunden noch einmal zur Kontrolle vorstellig werden müsse. Das betreffe die so genannte therapeutische Aufklärung. Sie solle den Heilerfolg sicherstellen und Schaden vermeiden, der durch falsches Verhalten nach der Behandlung entstehen könne. Sie finde also nach der Behandlung statt. Der Patient müsse beweisen, dass diese therapeutische Aufklärung nicht ausreichend gewesen sei. Das heißt, er habe die Beweislast.

Der Kläger habe jedoch keine Behandlungsfehler in Zusammenhang mit der Injektionsbehandlung nachweisen können, so das Gericht. Das Lokalanästhetikum führe für eine kurze Zeit zu leichteren neurologischen Symptomen. Der Umstand, dass sich das Narkosemittel im Bereich des Nervens verteile und diesen kurzzeitig beeinträchtige, könne der Arzt nicht verhindern.

Injektion ins Hüftgelenk: Nachsorge und Aufklärung ausreichend

Die Nachsorge und die Aufklärung seien ausreichend gewesen. Der Mann sei eindeutig darauf hingewiesen worden, dass er bis zu zwei Stunden abwarten, sich in dieser Zeit weiter in der Klinik aufhalten und sich danach erneut zur Kontrolle vorstellen solle. Das Gericht war nach Auswertung der Dokumentation und Vernehmung von Zeugen überzeugt, dass dem Patienten das mitgeteilt wurde.

Vor dem Hintergrund, dass etwaige Nebenwirkungen der Injektion etwa eine halbe bis maximal eine Stunde andauern, sei die Anweisung, sich etwa zwei Stunden in der Klinik aufzuhalten und dann noch einmal vorzustellen, ausreichend gewesen. Der Sachverständige habe bestätigt, dass der Zeitraum von zwei Stunden zwischen Injektion und Nachuntersuchung aus medizinischer Sicht vollkommen ausreichend sei, um den weiteren Verlauf abzuklären und zu prüfen, ob noch Symptome vorhanden seien.

Nach Cortison-Injektion: Patient verlässt eigenmächtig Klinik – Arzt muss nicht Rücksprache mit ihm nehmen

Auch habe sich die Sekretärin ausreichend nach dem Verbleib des Patienten erkundigt, als dieser nach den zwei Stunden nicht wiedererschienen sei. Sie habe ihn zweimal innerhalb eines Abstands von rund 30 Minuten erfolglos auf dem Klinikgelände gesucht. Es sei nicht erforderlich, darüber hinaus auch noch anzurufen. Es gehe zulasten des Patienten, wenn dieser sich entgegen der Anweisung nach zwei Stunden nicht wieder vorstelle.

Auch habe der Arzt in diesem Fall nicht unbedingt Rücksprache mit dem Patienten halten müssen, nachdem dieser eigenmächtig die Klinik verlassen hätte.

Angesichts der Wirkdauer des Lokalanästhetikums lasse sich auch nicht feststellen, dass der Sturz des Mannes auf die Injektion mehr als dreieinhalb Stunden vorher zurückzuführen sei. Laut Sachverständigem bildeten sich die temporären Symptome der Nervenirritationen innerhalb einer Stunde zurück. Es sei daher aus medizinischer Sicht sehr unwahrscheinlich, dass der Patient noch solange nach der Injektion unter den Auswirkungen des Anästhetikums gelitten habe. Zwar könne er einen Zusammenhang zwischen Injektion und Sturz nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen. Er habe das allerdings in 25 Berufsjahren und bei 80.000 Injektionen kein einziges Mal erlebt.

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 04.03.2019

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