Krankschreibung bei Erkältung durch Tele-Arzt?

(DAV). Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass auch ärztliche Behandlung per Ferndiagnose möglich sein kann. Entweder per Videosprechstunde oder aber auch per telefonischer Beratung. Fraglich ist, ob auch rein technische Plattformen ausreichen.

Das Oberlandesgericht Hamburg hat sich am 5. November 2020 (AZ: 5 U 175/16) grundsätzlich mit der Frage befassen müssen, wann Fernbehandlungen und die Werbung dafür möglich sind.

Folgende Voraussetzungen müssen nach Meinung des Gerichts erfüllt sein, wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert:

  • Grundsätzlich sind eine ordnungsgemäße medizinische Behandlung und Beratung unter Einsatz von Kommunikationsmedien möglich.
  • Die Beratung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, „wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise den Befund Erhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird, und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.“
  • Im Einzelfall muss ein Arzt oder eine Ärztin prüfen, ob ein persönlicher Kontakt mit dem Patienten notwendig ist.

Elektronischer Dienst für Krankschreibungen zulässig?

Die Einhaltung ärztlicher Sorgfalt setzt voraus, dass der Arzt im konkreten Einzelfall prüft, ob eine Behandlung über die Kommunikationsmedien ärztlich vertretbar ist.

Eine Video-Sprechstunde oder eine telefonische ärztliche Beratung ist möglich. Hier kommt es zu einem persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient. Nur dann kann eine Einzelfallprüfung stattfinden. Mit seiner Entscheidung untersagte das Oberlandesgericht in Hamburg einen automatisierten Dienst für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Erkältungen.
Die Nutzer mussten über eine Onlineplattform verschiedene vorformulierte Fragen beantworten. Kam das System zu dem Schluss, dass keine Krankschreibung möglich ist, konnte man das Ganze nochmal durchlaufen. Dann sollten die Antworten online durch einen „Tele-Arzt“ überprüft werden. Die Krankschreibung erfolgte dann per WhatsApp und per Post. Das Ganze kostete neun Euro, unabhängig vom Erfolgsfall. Der Betrag wurde nicht von der Krankenkasse ersetzt.

Ärztliche Fernbehandlung grundsätzlich möglich

Weil eben keine Einzelfallprüfung durch einen Arzt stattfand, und das Ergebnis allein auf den Antworten des Patienten beruhte, war dies unzulässig.

Videosprechstunden und der direkte telefonische Kontakt zwischen Arzt und Patient sind zulässig, solange die ärztliche Sorgfalt gewahrt bleibt. Zum Schutz der Patientinnen und Patienten untersagte das Gericht den Dienst dieser Plattform.
Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 12.11.2021

www.arge-medizinrecht.de