Haftung des Krankenhauses für Belegarzt?

(red/dpa). Ein alkoholisierter Belegarzt führt eine Operation nicht standardgemäß durch. Die Patientin erleidet schwere bleibende Schäden. Haftet das Krankenhaus?

In dem von der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall musste die Klinik wegen eines ‚eklatanten Organisationsverschuldens haften (Entscheidung des Landgerichts Münster vom 1. März 2018; AZ: 111 O 25/14).

Die Frau litt unter Kopf- und Nackenschmerzen, an Armschmerzen bis in den Oberarm bzw. in die Schulter hinein und weiteren Beschwerden. Sie wurde schließlich in der Klinik vorstellig, wo sie dann auch operiert wurde. Der untersuchende Neurochirurg, ein Belegarzt, diagnostizierte einen Bandscheibenvorfall und erklärte eine Bandscheibenoperation für notwendig. Bei dieser OP im Jahr 2011 wurde das Rückenmark verletzt.  Seither ist die Frau weitestgehend auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Sie leidet an Blasen- und Mastdarminkontinenz, hinzu kommen Symptome wie Taubheitsgefühle, Spastiken und Schmerzen. Sie ist zu einer selbständigen Lebensführung praktisch nicht mehr in der Lage.

Belegarzt: Operation unter Alkoholeinfluss – wer haftet für Schäden?

Der Operateur der Frau war alkoholabhängig. Kurz nach der OP 2011 kündigte der Krankenhausträger das Vertragsverhältnis mit dem Mann fristlos, nachdem dieser alkoholisiert im Krankenhaus erschienen war.

Die Frau klagte unter anderem auf Schmerzensgeld und erhielt Recht. Das Gericht sprach ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 Euro zu. Das Krankenhaus hafte. Es habe dem Arzt die Infrastruktur für neurochirurgische Eingriffe zur Verfügung gestellt, obwohl es schon weit vor der Operation der Klägerin gewusst habe – jedenfalls aber hätte wissen müssen –, dass der gesundheitliche Zustand des Operateurs eine solche Tätigkeit nicht zuließe.

Für die gravierenden Folgen habe das Krankenhaus einzustehen. Dies gelte auch dann, wenn vor dem Hintergrund der belegärztlichen Tätigkeit zwischen Klinik und Arzt ein gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag bestanden habe. Ob eine solche Vertragskonstruktion vorgelegen habe oder aber Vertragspartner der Patientin allein das Krankenhaus gewesen sei, spiele hier keine Rolle. Auch im Fall eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrags habe die Frau Anspruch gegenüber dem Krankenhaus wegen dessen (Organisations-)Verschuldens.

Niedergelassene Ärzte wie auch Krankenhausträger seien zu einer sachgerechten Organisation, Koordination und Überwachung der Behandlungsabläufe verpflichtet. Erleide ein Patient durch einen Verstoß hiergegen einen Schaden, müsse Arzt oder Klinik unter Umständen haften.

Für das Krankenhaus bestehe als Nebenpflicht aus dem Krankenhausaufnahmevertrag die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen des Patienten. Es müsse sich grundsätzlich so verhalten, dass insbesondere dessen Körper und Leben nicht verletzt würden.

Daraus folge, dass die Klinik grundsätzlich keinem Belegarzt erlauben dürfe, bei ihr zu arbeiten, wenn sie aufgrund eigener Erkenntnisse annehmen müsse, dass er Patienten schaden könnte.

Im vorliegenden Fall habe das Krankenhaus seine Schutzpflichten daher grob fahrlässig verletzt. Ihm sei damit ein eklatantes Organisationsverschulden vorzuwerfen.

Das Gericht betonte, die Klinik hätte bereits spätestens 2009 Zweifel haben müssen, ob der Arzt die für einen praktisch tätigen Neurochirurgen erforderliche Eignung noch besitze. Aufgrund der immer wieder auftretenden Auffälligkeiten hätte sie die Zusammenarbeit mit dem Belegarzt spätestens Ende 2010 zum Wohle der bei ihr aufgenommenen Patienten beenden müssen. In diesem zeitlichen Verlauf steigerte sich das Maß ihres Verschuldens von einer fahrlässigen bis hin zu einer mindestens grob fahrlässigen Pflichtverletzung.

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 06.09.2019

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