Einwilligung in eine Operation kann unwirksam sein – Klinik muss sich vergewissern

(DAV). Vor einer Operation müssen die behandelnden Ärzte den Patienten aufklären. Auch muss dieser ausdrücklich schriftlich in die OP einwilligen. Aber auch eine Einwilligung kann unwirksam sein. Es ist Aufgabe der Klinik, zu überprüfen, ob die Einwilligung noch dem Willen des Patienten entspricht.

Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Patient die Einwilligung in einer für ihn schwierigen Situation abgegeben hat, etwa nachts nach einem Unfall. Ausgenommen davon sind Notfalloperationen. Ansonsten muss die Klinik Schmerzensgeld bezahlen. Die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Januar 2019 (AZ: 5 U 29/17).

Schmerzensgeld nach Operation trotz Einwilligung?

In dem Fall ging es um eine 57-jährige Frau. Sie brach sich den Oberschenkelhals und wurde nachts in die Klinik eingeliefert. Die Ärzte führten noch in der Nacht ein Aufklärungsgespräch. Die Patientin zeigte sie sich gegenüber der von den Ärzten empfohlenen Operation ausgesprochen skeptisch, „regelrecht widerspenstig“. Sie konnte nur mit einiger Mühe hiervon überzeugt werden.

Letztendlich unterschrieb sie aber nach dem Gespräch eine Einwilligungserklärung für die am nächsten Mittag vorgesehene Operation. Noch nachts bat sie ihren Ehemann, am nächsten Vormittag die Meinung eines Orthopäden ihres Vertrauens einzuholen. Die Klinik verlegte die Operation dann jedoch auf den Morgen vor. Die Patientin, die jedenfalls im Rückblick eine konservative Therapie des Bruches bevorzugt hätte, verklagte die Klinik auf ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro.

Das Landgericht wies die Klage ab. Mit anwaltlicher Hilfe konnte die Frau ihre Ansprüche beim Oberlandesgericht durchsetzen. Das Gericht sprach ihr 10.000 Euro Schmerzensgeld für die aus der Operation resultierenden dauerhaften Schmerzen im rechten Oberschenkel zu.

Einwilligungsunterzeichnung direkt nach Aufklärung problematisch

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts verlief die Operation zwar fehlerfrei. Allerdings sei die Einwilligung der Patientin unwirksam. Eine Aufklärung müsse so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung wohlüberlegt treffen könne. Wer stationär aufgenommen werde, müsse mindestens einen Tag vor der Operation aufgeklärt werden. Es sei denn, es handele sich um einen medizinisch dringlichen Eingriff.

Die Operation eines Oberschenkelhalsbruchs sei zwar alsbald und spätestens innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall geboten. Es sei aber keine notfallmäßige sofortige Operation, die es rechtfertigt, der Patientin eine sofortige Entscheidung ohne jegliche Überlegungsfrist abzuverlangen.

Das Gericht fand auch das Vorgehen des Krankenhauses bedenklich, den Patienten unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung zur Unterschrift unter die Einwilligungserklärung zu bewegen. Man müsse bedenken, dass der Patient seine Entscheidung unter dem Eindruck einer großen Fülle von meist unbekannten und schwer verständlichen Informationen treffe – und oft auch – wie hier nach dem Unfall – in einer persönlich schwierigen Situation.

Die Erklärung stehe dann unter dem Vorbehalt, dass der Patient die ihm verbleibende Zeit nutzen könne, um die erhaltenen Informationen zu verarbeiten und um das Für und Wider des Eingriffes für sich abzuwägen. Er müsse die Möglichkeit haben, sich anders zu entscheiden. Es sei dann nicht Aufgabe des Patienten, sich durch eine ausdrückliche Erklärung von seiner zuvor gegebenen Einwilligungserklärung zu lösen. Vielmehr müssten die Ärzte sich davon überzeugen, dass die Einwilligungserklärung nach wie vor dem freien Willen des Patienten entspreche.

Dies gelte allerdings nur für den Fall, dass der Patient – wie hier – keine ausreichende Bedenkzeit für seine Einwilligung gehabt habe und somit keine wohlüberlegte Entscheidung habe treffen können. Die operierenden Ärzte, denen die kurze Überlegungszeit bekannt gewesen war, hätten sich daher ausdrücklich bei der Frau vergewissern müssen, ob es bei der Entscheidung der Nacht bleibe.

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 22.03.2019

www.arge-medizinrecht.de