Demente Patientin stürzt aus dem Fenster – Klinik haftet

(red/dpa). An Alzheimer oder Demenz leidende Patienten müssen häufig vor sich selbst geschützt werden. Ein Krankenhaus hat hier eine besondere Fürsorgepflicht. Doch was muss es eigentlich leisten, um die Sicherheit etwa von Patienten mit Demenz oder Alzheimer zu gewährleisten? Und wer haftet, wenn diesen Patienten in der Klinik etwas zustößt?

In dem von der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall musste die zuständige Klinik der Krankenversicherung einer Patientin mit Demenz haften und alle unfallbedingten Kosten zurückzahlen, weil die Sicherungsmaßnahmen unzureichend waren (Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Januar 2017 (AZ: 26 U 30/16).

Wegen eines Schwächeanfalls wurde die an Demenz leidende Patientin stationär eingewiesen. Sie war seit dem Aufnahmetag sehr aggressiv, unruhig, verwirrt und desorientiert. Darüber hinaus versuchte sie immer wieder, wegzulaufen und wollte die Station verlassen. Mit Medikamenten erreichten die behandelnden Ärzte keine ausreichende Beruhigung der dementen Patientin. Drei Tage nach Einlieferung der Frau verstellten die Krankenschwestern die sich nach innen öffnende Tür des Krankenzimmers von außen mit einem Krankenbett. Sie wollten die Patientin so am Weglaufen hindern. Zusätzlich erhielt sie eine weitere Gabe eines Medikaments gegen Erregungs- und Spannungszustände.

Trotzdem kletterte die demente Frau aus dem Fenster, stürzte auf ein mehrere Meter tiefer liegendes Vordach und erlitt erhebliche Verletzungen. Etwa eineinhalb Monate später verstarb sie.

Sturz von Patientin mit Demenz: Private Krankenversicherung fordert Kosten von Klinik

Die private Krankenversicherung der dementen Patientin wollte, dass die Klinik haftet und forderte den Ersatz der unfallbedingten Behandlungs-, Heil- und Hilfsmittelkosten sowie des Krankenhaustagegelds, insgesamt rund 93.000 Euro. Vor Gericht hatte die Krankenversicherung in der zweiten Instanz Erfolg.

Zwar habe die Klinik die Patientin medikamentös ausreichend versorgt, aber die notwendigen Vorkehrungen unterlassen, um zu verhindern, dass die Patientin aus dem Krankenzimmer habe hinaussteigen können. Dies sei eine fahrlässige Pflichtverletzung.

Demente Patienten: Klinik verletzt Fürsorgepflicht und muss haften

Die Klinik habe für die an Demenz erkrankte Patientin eine vertragliche Fürsorgepflicht gehabt. Sie übernehme mit der stationären Aufnahme eines Patienten nicht nur die Aufgabe der ärztlichen Behandlung entsprechend dem medizinischen Standard, sondern auch Obhuts- und Schutzpflichten. Sie müsse den Patienten im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren vor Schäden und Gefahren schützen, wenn das aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustands nötig sei.

Die im Fall der an Demenz erkrankten Frau getroffenen Maßnahmen hätten nicht ausgereicht. Wirkungsvolle Sicherungsmaßnahmen seien aber möglich und zumutbar gewesen. Schon das Entfernen von Tisch und Stuhl direkt am Fenster hätte es der Patientin erschwert, aus dem Fenster zu klettern. Effektiv und zumutbar wäre auch gewesen, das Fenster durch Verriegeln in Kippstellung zu blockieren oder verschließbare Fenstergriffe anzubringen. Ansonsten hätte die Patientin wegen ihres auffälligen Verhaltens als Notfall auf eine geschlossene geriatrische Station oder in eine ebenerdig gelegene Abteilung verlegt werden müssen.

Wären der Klinik alle diese Maßnahmen nicht möglich gewesen, hätte es sich um ein so genanntes Organisationsverschulden gehandelt. Eine Patientin mit Demenz hätte dann nämlich gar nicht in diese Abteilung aufgenommen werden dürfen.

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 03.11.2017

www.arge-medizinrecht.de