Bei eigenmächtiger Sterilisation muss der Arzt Schmerzensgeld zahlen

Koblenz/Berlin (DAV). Entdeckt ein Arzt bei einem Kaiserschnitt, dass weitere Schwangerschaften für die Frau gefährlich sein könnten, darf er sie nicht ungefragt sterilisieren. Er kann auch nicht von ihrer mutmaßlichen oder hypothetischen Einwilligung ausgehen. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 13. Juli 2006 (AZ: 5 U 290/06), wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Die 22-jährige Klägerin brachte per Kaiserschnitt 1975 ihr zweites Kind zur Welt. Bei dem Kaiserschnitt stellte der Arzt fest, dass weitere Schwangerschaften und Kaiserschnitte für die Patientin gefährlich sein könnten. Daraufhin nahm er eine Sterilisation vor. Viele Jahre später trennte sich die Frau von ihrem Mann und wollte mit ihrem neuen Partner weitere Kinder. Über Jahre hinweg hatte sie die Pille genommen, die sie dann wegen des gemeinsamen Kinderwunsches 1994 abgesetzt hatte. Ihrer Ansicht nach hatte sie der Arzt nicht über die Sterilisation aufgeklärt. Erst 2001 habe sie erfahren, dass sie sterilisiert sei. Für die eigenmächtige Sterilisation verlangte sie Schmerzensgeld.

In erster Instanz gab das Landgericht dem Arzt Recht. Das OLG hingegen sprach ihr Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro zu. Der Arzt hätte den Eingriff nicht eigenmächtig vornehmen dürfen. Auch habe er nicht von der mutmaßlichen Einwilligung der Frau ausgehen dürfen. Außerdem hätte der Mediziner den medizinischen Fortschritt berücksichtigen müssen. Einer zum Zeitpunkt des Eingriffs erst 22-jährigen Frau die künftigen neuen Möglichkeiten der Medizin vorzuenthalten, sei unvertretbar. Die mutmaßliche Einwilligung eines Patienten vorauszusetzen und einen „Zufallsfund“ zu beheben, sei dann gerechtfertigt, wenn es sich um etwas akut Lebensbedrohliches oder umgekehrt um etwas völlig Banales gehandelt hätte. Ob der Arzt sie nach der Behandlung über die Sterilisation aufgeklärt habe oder nicht, sei hier nicht entscheidend.

Medizinrechtsanwälte aus dem gesamten Bundesgebiet und weitere Informationen findet man auf der Startseite unter „Anwalt finden“.

Pressemitteilung vom 29.04.2009

www.arge-medizinrecht.de