Arzthaftungsprozess: Werden Kosten für Privatgutachten erstattet?

(DAV). Grundsätzlich werden die Kosten für ein Privatgutachten in einem Arzthaftungsprozess nur ausnahmsweise erstattet. Auch wenn jede Partei jederzeit ein solches Gutachten einholen darf. Umso schwieriger wird es, wenn das Gericht selbst Gutachten einholt, oder wenn bereits Gutachten aus einem Schlichtungsverfahren vorliegen.

Jedoch können Betroffene dennoch Anspruch auf die Erstattung der Gutachtenkosten haben. Nämlich dann, wenn sie nur dann in der Lage sind, ihren Anspruch sachlich zu begründen. Die Kläger müssen in der Lage sein, ihrer Darlegungslast zu genügen oder etwas zu beweisen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 15. Oktober 2020 (AZ: 11 W 1457/20), wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltverein (DAV) mitteilt.

Arzthaftungsprozess: Schadensersatz wegen Behandlungsfehler?

In einem Arzthaftungsprozess ging es in der Folge um die Erstattung von Kosten für Privatgutachten des klagenden Patienten. Das Verfahren endete mit einem Vergleich. Laut diesem Vergleich trägt der beklagte Arzt bzw. seine Versicherung die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte lehnte es ab, die Kosten für zwei Privatgutachten zu erstatten. Ein vorgerichtliches Gutachten sei nicht erforderlich gewesen, da bereits zwei Gutachten in dem der Klage vorausgegangen Schlichtungsverfahren eingeholt worden waren. Das zweite Gutachten sei erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingeholt worden und ausschließlich zur Schadenshöhe.
Der Kläger begründete die Notwendigkeit beider Gutachten damit, dass er mit dem ersten Gutachten überhaupt erst die Klageschrift begründen konnte. Die Klage würde auch an vielen Stellen auf das Gutachten Bezug nehmen. Die zwei Gutachten im Schlichtungsverfahren kämen nicht zu dem Schluss, dass ein Behandlungsfehler vorliege. Das Ergebnis des zweiten Gutachtens im Schlichtungsverfahren sei, dass nur ein Diagnosefehler vorliege, nicht aber ein Befunderhebungsfehler. Dies sei aber erheblich im Hinblick auf die Beweisführung.

Das Gutachten für die Schadenshöhe sei notwendig gewesen, um in den Vergleichsverhandlungen überhaupt die Vergleichssumme festsetzen zu können.

Privatgutachten des Patienten sind zu erstatten

Das Gericht entschied, dass die Kosten für beide Gutachten von der Beklagten zu ersetzen sind. Die Gutachten aus dem Schlichtungsverfahren verneinten einen Behandlungsfehler. Es soll auch nur ein Diagnosefehler und kein Befunderhebungsfehler vorgelegen haben. Letzteres hat aber Auswirkungen auf die Beweisführung des Klägers. Daher war es erforderlich, ein Privatgutachten einzuholen, um seine Ansprüche sachgerecht begründen zu können. In der Klageschrift nahm der Kläger auch mehrfach darauf Bezug. Der Patient selbst verfügt nicht über die erforderliche Fachkenntnis.
Auch das zweite Gutachten war laut Gericht notwendig, somit sind die Kosten dafür zu erstatten. Um überhaupt eine Vergleichssumme beziffern zu können, musste der Kläger die Schadenshöhe kennen. Auch bei einem Scheitern der Vergleichsverhandlungen wäre dieses Gutachten notwendig gewesen, um seine Ansprüche im weiteren Verlauf des Gerichtsverfahrens beziffern zu können.
Quelle: www.dav-medizinrecht.de

 

Pressemitteilung vom 04.11.2021

www.arge-medizinrecht.de