Arzt und Patient: Wie müssen Aufklärungsbögen formuliert sein?

(DAV). Bei der Risikoaufklärung müssen Ärzte so informieren, dass es für Patienten als medizinische Laien verständlich und nachvollziehbar ist. Mediziner müssen sich dabei aber nicht an den Häufigkeitsdefinitionen des Medical Dictionary for Regulatory Activities (MedDRA) orientieren.

Das berichtet die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit Verweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 20. Februar 2018 (AZ: 8 U 78/16).

Der Patient hatte eine Knieoperation hinter sich gebracht, bei dem ihm eine Prothese eingesetzt worden war. Zwei Jahre nach der OP lockerte sich das Implantat, und er musste erneut operiert werden. Der Mann klagte auf Schmerzensgeld. Er war der Meinung, fehlerhaft und ohne die erforderliche Aufklärung ärztlich behandelt worden zu sein. Unter anderem ging es darum, dass der Arzt das Risiko der Operation heruntergespielt habe. Er hatte mithilfe eines Aufklärungsbogen den Patienten über die bevorstehende OP informiert. In dem Aufklärungsbogen war die Rede davon, es könne im Laufe der Zeit „gelegentlich“ zu einer Lockerung des Implantats kommen.

Medizinische Aufklärungsbögen: Welche Regeln gelten?

Vor Gericht hatte der Patient keinen Erfolg. Die Richter legten die Ausführungen eines Sachverständigen zugrunde und kamen zu dem Ergebnis, dass die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit für eine Lockerung der Knie-Prothese im Bereich von bis zu 8,71 Prozent liegt. „Ein Risiko in einer derartigen Höhe ist von dem natürlichen Wortsinn des Wortes „‚gelegentlich‘ ohne weiteres gedeckt“, argumentierten die Richter und verwiesen auf den Duden. Der definiert „gelegentlich“ als „ab und zu“.

Nach Meinung des Klägers hätten sich verbale Risikobeschreibungen (gelegentlich, selten, sehr selten etc.) in Aufklärungsbögen an den Häufigkeitsdefinitionen des Medical Dictionary for Regulatory Activities (MedDRA) zu orientieren. Das sind die Definitionen, die in Medikamentenbeipackzetteln genutzt werden.

MedDRA-Definitionen nicht normaler Sprachgebrauch von Patienten

Diese Einschätzung teilten die Richter jedoch nicht. Sie bezweifelten, dass die MedDRA-Definitionen dem alltäglichen Sprachgebrauch von Patienten entsprächen. Der durchschnittliche Patient sei keineswegs so mit Packungsbeilagen und den darin zugrunde gelegten Häufigkeitsdefinitionen vertraut, dass das sein Sprachverständnis entscheidend präge. So werde er kaum danach differenzieren, ob ein Risiko „selten“ (bis zu einem von 1.000 Patienten) oder „sehr selten“ (bis zu einem von 10.000 Patienten) auftrete. Überdies sei zu berücksichtigen, dass die Genehmigung und Überwachung von Arzneimitteln in einen Kontext eingebettet sei, der eine sehr umfassende Datenlage geschaffen habe. Damit sei die statistische Risiko-Erfassung eines operativen Eingriffs nicht vergleichbar.

Ohnehin seien Risikostatistiken für das Maß der Aufklärung nur von geringem Wert. Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht sei nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, insbesondere nicht eine bestimmte Statistik. Maßgebend sei vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhafte und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belaste.

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 17.05.2018

www.arge-medizinrecht.de