Arzt muss 50.000 Euro Schmerzensgeld für zu spät erkannte Krebserkrankung zahlen

(DAV). Ein Behandlungsfehler kann auch eine zu spät erkannte Erkrankung sein. Hat der Arzt dies zu verantworten, muss er Schmerzensgeld zahlen. Bei der Bemessung kommt es auf verschiedene Faktoren an. Letztlich ist die Beeinträchtigung des Lebens entscheidend.

Berücksichtigt wird das Alter, der Leidensweg, insbesondere die Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, das Alter sowie die familiäre Situation. In einem von der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall wurde einer mit 70 Jahren verstorbenen Frau 50.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat am 22. Dezember 2020 (AZ: 8 U 142/18) den Betrag der Vorinstanz von 30.000 Euro entsprechend angehoben.

Tumor zu spät erkannt – Muss Arzt haften?

Geklagt hatte der Mann für seine verstorbene Ehefrau. Sie war im Herbst 2010 wegen undefinierbarer Schmerzen in einem bereits geschwollenen rechten Oberschenkel zu dem beklagten Orthopäden überwiesen worden. Der Arzt diagnostizierte im Oktober lediglich ein Hämatom und verordnete Schmerzmittel. Bei der Ende November durchgeführten MRT-Untersuchung wurde aber ein Tumor diagnostiziert, der im Dezember operativ entfernt wurde.

Nachdem bereits im Februar 2011 eine Metastase gefunden worden war, konnte der Krebs nicht mehr eingedämmt werden. Die Patientin verstarb im August 2012.

Das Landgericht sprach ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro zu.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main erhöhte den Betrag auf 50.000 Euro. Da der Arzt den Tumor zu spät erkannte, musste er zahlen. Ein Sachverständiger hatte festgestellt, dass bei einer um einen Monat früheren Diagnose die statistische Prognose der Patientin um 10 -20 % besser gewesen wäre.

Berechnung Höhe des Schmerzensgeldes

Das Gericht widmete sich ausführlich den Parametern für die Bemessung des Schmerzensgeldes.

Zu berücksichtigen sind „einerseits der Leidensweg der Patientin bis zu ihrem Tod, aus dem sich insbesondere die Heftigkeit und Dauer ihrer Schmerzen ablesen lasse, und andererseits ihr Alter und ihre familiäre Situation, die Rückschlüsse auf die erlittene Lebensbeeinträchtigung zulassen.“

Maßgebend bei der Bewertung und Berechnung des Schmerzensgeldes war der Zeitraum ab Bekanntwerden der ersten Metastase.  Ab diesem Zeitpunkt hatte die Frau ihre Chancen auf eine Genesung zunehmend schwinden sehen und sich auf den bevorstehenden Tod einstellen müssen.

Geschildert wurden für den letzten Lebensabschnitt schreckliche Schmerzen, Verzweiflung und Todesangst. Dies fand das Gericht nachvollziehbar. Es entspricht den „allgemein bekannten furchtbaren Erlebnissen von Menschen mit einer Krebserkrankung im Endstadium.“

Immer eine Einzelfallprüfung

Berücksichtigt wurde, dass sich eine 70 Jahre alte verheiratete Frau mit zwei Kindern und zwei Enkelkindern wegen Metastasen zunehmend Sorgen um ihr Leben machen und diversen körperlich und psychisch belastenden medizinischen Eingriffen unterziehen musste. Ab Anfang 2012 war ihr Kampf ums Überleben immer verzweifelter geworden, die letzten acht Monate waren wegen der starken Schmerzen leidensgeprägt.

Bei der Berechnung der 50.000 Euro Schmerzensgeld berücksichtigte das Gericht aber auch, dass die Leidensdauer von ca. anderthalb Jahren im Vergleich zu anderen Fällen eher gering war. Auch hatte die Frau mit 70 „die zentralen erfüllenden Momente des Lebens“ noch erlebt.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Gegen die Entscheidung wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt (Az. VI ZR 39/21).

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Pressemitteilung vom 25.03.2021

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