Kein Anspruch auf freie Impfstoff-Wahl
Das VG Aachen hat in einem Eilverfahren entschieden, dass kein Anspruch darauf besteht, nur mit dem Impfstoff der Firma BioNTech/Pfizer gegen das Coronavirus geimpft zu werden.
Nach der Empfehlung der STIKO vom 01.04.2021 war der Impfstoff des Unternehmens AstraZeneca aufgrund eines erhöhten Risikos für thromboembolische Ereignisse im Regelfall nur noch für Personen im Alter von über 60 Jahren zu verwenden. Für sie war prioritär eine Impfung mit diesem Vakzin vorgesehen. Gegen diese prioritäre Zuweisung hatte sich der 61-jährige Antragsteller gewandt und begehrt, allein mit dem Impfstoff der Firma BioNTech/Pfizer geimpft zu werden.
Die Kammer hat dieses Begehren abgelehnt und ausgeführt, für Impfberechtigte ergebe sich nach der im Eilverfahren gebotenen vorläufigen Bewertung weder aus der Corona-Impfverordnung noch aus den Grundrechten ein Wahlrecht, mit einem bestimmten Impfstoff gegen das Coronavirus geimpft zu werden. Die CoronaImpfV bestimme allein den Kreis der Impfberechtigten und die Impfreihenfolge, treffe jedoch keine Regelungen bezüglich des zu verwendenden Impfstoffs. Angesichts der Impfstoffknappheit sei im Übrigen nicht zu beanstanden, dass das zuständige Ministerium bestimmten Altersgruppen konkrete Impfstoffe zuteile. Dass in seinem Fall medizinische Gründe gegen eine Verwendung des Impfstoffs von AstraZeneca sprechen, habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.
Auch aus dem Recht auf Gleichbehandlung ließ sich der geltend gemachte Anspruch nicht herleiten. Die Ungleichbehandlung gegenüber Impfberechtigten im Alter von unter 60 Jahren sei vielmehr insbesondere wegen des erhöhten Risikos für thromboembolische Ereignisse in dieser Altersgruppe gerechtfertigt gewesen, so das Gericht. Erkenntnisse darüber, dass in der Altersgruppe des Antragstellers Thrombosen mit einer ähnlichen Häufigkeit aufgetreten sind, lagen zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor.
Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 21.04.2021, Az. 7 L 243/21
https://is.gd/HEaLTE
Vorerst keine Corona-Impfungen durch Privatpraxen
Ein in privatärztlicher Praxis tätiger Arzt ist mit seinem Eilantrag gescheitert, vom Land Berlin Impfstoff zur Impfung seiner Privatpatienten gegen Covid-19 zu erhalten. Dem Antragsteller fehle ein Anordnungsgrund, so das Gericht. Er habe keine schweren und unzumutbaren Nachteile dargelegt, die dadurch entstünden, dass ihm der Antragsgegner derzeit (noch) keinen Impfstoff zur Verfügung stelle. Nach seinem eigenen Vortrag gehe es ihm nicht darum, materielle Vorteile durch die Zulassung für die Schutzimpfung zu erreichen. Vielmehr wolle er lediglich seinen Patientinnen und Patienten nach individueller Beratung und Einschätzung den bestmöglichen Schutz vor einer Corona-Infektion verschaffen.
Diese Nachteile beträfen aber nicht seinen Rechtskreis, sondern allenfalls denjenigen seiner Patientinnen und Patienten, befand das VG. Diese könnten sich entweder in einer kassenärztlichen Arztpraxis impfen lassen oder aber auf die Impfangebote der staatlicherseits eingerichteten Impfzentren zurückgreifen. Dass es einer Impfung gerade durch den Antragsteller selbst bedürfe, sei nicht ersichtlich. Dem Argument des Arztes, er begehe durch die Nichtanwendung des Impfstoffs zugunsten seiner Patientinnen und Patienten eine Berufspflichtverletzung und verletze sein ärztliches Gelöbnis, folgte die Kammer nicht.
Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 27.04.2021 – 14 L 190/21
- offenbar bisher nicht veröffentlicht -
Vorübergehende Beschränkung auf medizinisch dringliche planbare Maßnahmen in Notfallkrankenhäusern rechtmäßig
Die den Notfallkrankenhäusern und Notfallzentren durch die Zweite Krankenhaus-Covid-19-Verordnung des Landes Berlin auferlegte Beschränkung der Behandlung von Patientinnen und Patienten ist rechtmäßig. Danach dürfen diese unter Einhaltung vorgegebener Reservierungs- und Freihaltequoten nur noch medizinisch dringliche planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe durchführen. Das OVG Berlin-Brandenburg hob gegenteilige Entscheidungen des VG Berlin im Eilverfahren auf.
Es spreche mehr dafür, dass die Reservierungs- und Freihaltequoten in Notfallkrankenhäusern und Notfallzentren als notwendige Schutzmaßnahmen aufgrund der bundesgesetzlichen Ermächtigung im Infektionsschutzgesetz rechtmäßig angeordnet worden seien. Der dort verwandte Begriff der „Schutzmaßnahmen“ sei umfassend und ermögliche den Infektionsschutzbehörden ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Maßnahmen. Zwar zielten die Kapazitätsbeschränkungen in erster Linie auf die Bewältigung eines im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erwarteten Notstands in der stationären Versorgung. Zugleich trage dies aber auch dazu bei, eine Ausbreitung der Corona-Infektionen zu verhindern, indem sichergestellt werde, dass an COVID-19 erkrankte Personen in den dafür vorgesehenen medizinischen Einrichtungen isoliert und möglichst wirksam behandelt werden könnten. Angesichts der ihnen gewährten finanziellen Kompensationen hätten die Antragstellerinnen zudem nicht hinreichend belegt, dass ihnen erhebliche Einnahmeausfälle bzw. mögliche Liquiditätsengpässe drohten. Da die Reservierungs- und Freihaltequoten alle Notfallkrankenhäuser gleichermaßen beträfen, sei auch nicht nachvollziehbar, dass hierdurch die Reputation der Antragstellerinnen bedroht sei.
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2021 – 1 S 66/21
https://is.gd/5NHW41
7.000 € Schmerzensgeld nach Verstoß gegen Wahlarztvereinbarung
Ein Chefarzt sollte bei dem Patienten eines Universitätsklinikums eine Leberoperation durchführen. Der Patient unterzeichnete den Vertrag über die wahlärztliche Leistung direkt am Operationstag. Trotz zusätzlicher Vertretungsvereinbarung führte ein dritter Oberarzt die Operation durch.
Im Haftungsverfahren entschied das Landgericht, die Operation sei mangels wirksamer Einwilligung des Patienten rechtwidrig gewesen. Eine Einwilligung in eine Operation, bei welcher der Patient erkennbar Wert auf die Durchführung, gerade durch einen bestimmten Arzt legt, könne nicht in eine allgemeine Einwilligung zur Operation durch andere Ärzte umgedeutet werden.
Vor dem Hintergrund, dass der Patient unter Vollnarkose hätte operiert werden müssen, postoperativ Schmerzen auftraten und eine große Narbe entstand, hielt die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 € für angemessen.
Landgericht Essen, Urteil vom 06.11.2020 – 16 O 229/19
- offenbar bisher nicht veröffentlicht -
„TI-Verweigerer“ wehrt sich erfolglos
Die Klage gegen eine Honorarkürzung wegen unterbliebener Mitwirkung eines Vertrags(zahn)arzts an der Online-Versichertenstammdaten-Prüfung über die Telematik-Infrastruktur (TI) hat keine aufschiebende Wirkung.
Der Gesetzgeber bezweckt mit der Sanktion des Honorarabzugs die flächendeckende Einführung der den Leistungserbringern gemäß § 291 Abs. 2b S. 2 bzw. § 291b Abs. 2 SGB V auferlegten Pflicht zur Nutzung des von den Krankenkassen nach § 291 Abs. 2b S. 1 bzw. § 291b Abs. 1 SGB V anzubietenden Versichertenstammdatenmanagements (VSDM). Diese Zielsetzung liefe ins Leere, wenn durch prozessuale Maßnahmen mit aufschiebender Wirkung einerseits die Sanktionierung und damit verbunden andererseits der Einsatz des VSDM verzögert werden könnte.
Die sanktionierte Pflicht zur Online-Versichertenstammdaten-Prüfung ist verfassungsgemäß.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.03.2021 – L 3 KA 63/20 B ER
https://is.gd/Pyd6hl
ASV-Teilnahmeberechtigung steht Vergütungsanspruch im Wege
Das Sozialgericht Aachen hat die Klage der Trägerin eines Krankenhauses gegen eine Krankenversicherung auf Vergütung ambulanter Behandlungen in Höhe von rund 25.000 € abgewiesen.
Das Krankenhaus war durch behördlichen Bescheid gemäß § 116b Abs. 2 S. 1 SGB V in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung zur ambulanten Behandlung von Patienten mit gastrointestinalen Tumoren berechtigt und versorgte Versicherte der beklagten Krankenkasse ambulant im Rahmen dieser Ermächtigung. Gleichzeitig war die Abteilung Gefäßchirurgie des Krankenhauses als hinzuzuziehendes Mitglied im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) gemäß § 116 b SGB V n.F. benannt. Die Kasse verweigerte die Begleichung der Rechnungen mit der Begründung, dass nach § 116b Abs. 8 S. 2 SGB V n.F. die Altbestimmung eines Krankenhauses gemäß § 116b a.F. erlösche, sobald das Krankenhaus als Mitglied zu einem ASV-Team hinzugezogen werde.
Das Gericht gab der Versicherung Recht, da kein Zahlungsanspruch bestehe. Das Krankenhaus sei zur Teilnahme an der ASV berechtigt. Damit sei seine ursprünglich auf Grundlage des gemäß § 116b Abs. 2 S. 1 SGB V a.F. erteilte Bestimmung erloschen. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Teilnahme an der ASV als Kernteam oder hinzuzuziehendes Mitglied erfolge. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass die Berechtigung zur ASV-Teilnahme erkrankungsbezogen erfolge. Daher sei unerheblich, dass im streitbefangenen Zeitraum kein ASV-Patient behandelt worden sei.
Sozialgericht Aachen, Urteil vom 05.11.2020 – S 15 KR 451/17
https://is.gd/E1JhEF
Beweislast der Nicht-Abrechenbarkeit liegt bei Patientin
Das Eingliedern und Entfernen von Klebe-Brackets darf nicht delegiert werden, da kein Fall zulässiger Delegation gemäß § 1 Abs. 5 und 6 Zahnheilkundegesetz (ZHG) vorliegt. Im Falle einer unzulässigen Delegation einer solchen, dem Zahnarzt selbst vorbehaltenen Leistung sind diese Leistungen nicht abrechenbar.
Die Beweislast dafür, dass die Behandlung nicht durch einen Zahnarzt erbracht worden ist, trägt im gerichtlichen Verfahren die Patientin, denn sie macht einen Pflichtenverstoß der behandelnden Zahnärzte (gegen § 1 Abs. 5, 6 ZHG) geltend und leitet daraus eine für sie günstige Rechtsfolge ab, nämlich den Wegfall der Vergütungspflicht für die unstreitig vereinbarte und erbrachte Behandlung.
Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 10.11.2020 – 4 S 156/19
https://is.gd/n749Je
Zum Vergütungsanspruch des Krankenhauses bei notfallmäßiger Aufnahme des Versicherten
Auch wenn das Gesetz den Kassenärztlichen Vereinigungen die Sicherstellung eines Notfalldienstes aufgibt, sind die Versicherten nicht verpflichtet, vorrangig den organisierten Notfalldienst der KV in Anspruch zu nehmen. § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V gewährt ihnen ausdrücklich das Recht, in der besonderen Situation eines Notfalles auch Krankenhäuser zur Realisierung ihres Sachleistungsanspruches aufzusuchen.
Voraussetzung für die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung von Notfallbehandlungen im Krankenhaus ist, dass es sich um einen Notfall gehandelt hat und keine über die Notfallversorgung hinausgehende Behandlung vorgenommen worden ist.
Der Vergütungsanspruch entfällt nicht wegen einer am Folgetag der Vorstellung in der Rettungsstelle erfolgten stationären Aufnahme. Zwar ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass zunächst ambulant erbrachte Leistungen Teil einer nachfolgenden stationären Behandlung sein können, was deren gesonderte Vergütung als vertragsärztliche Leistungen ausschließt. Das betrifft jedoch nur Fälle, in denen ein Versicherter an demselben Tag wegen derselben Erkrankung in die stationäre Behandlung desselben Krankenhauses aufgenommen worden ist.
In ein Krankenhaus aufgenommen worden ist ein Patient erst, wenn er das „spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses“ in Anspruch nimmt, also objektiv feststellbare Umstände wie die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes, das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen und ähnliches dokumentiert wurden.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.12.2020 – L 24 KA 40/16
https://is.gd/kbxjQA
Anästhesie bei Katarakt: Untersuchung/Aufklärung und Analgesie am selben Tag
Der in GOP 05310 (Präanästhesiologische Untersuchung bei einer ambulanten oder belegärztlichen Operation der Abschnitte 31.2 bzw. 36.2) geregelte Abrechnungsausschluss neben der GOP 31831 (Einleitung und Unterhaltung einer Analgesie und/oder Sedierung während eines operativen oder stationsersetzenden Eingriffs nach der Nr. 31351) (hier: Quartale IV/12 bis II/16) ist sitzungsbezogen zu verstehen. Beide Leistungen können jedoch in verschiedenen Sitzungen am selben Tag erbracht werden.
Nach der Systematik des EBM wird das Wort „neben“ im Regelfall verwendet, um die kleinste Zeiteinheit, nämlich die Sitzung, zu wählen.
Es macht keinen Sinn, bei der Auslegung des Sitzungsbegriffs schwerpunktmäßig auf das Verlassen der Praxis abzustellen oder eine bestimmte Mindestzeit einer Unterbrechung zu fordern (und genügen zu lassen), da dies eine künstliche Aufspaltung von an sich einheitlichen Leistungen ermöglichen würde, was nicht sinnvoll wäre. Es ist vielmehr zu prüfen, ob die einzelnen Behandlungsabschnitte in sich selbstständig abgrenzbar sind, ohne künstlich getrennt zu werden, und ob zwischen den beiden Behandlungsschritten (hier: Voruntersuchung einerseits und Einleitung und Unterhaltung der Anästhesie andererseits) eine erkennbare Zäsur stattgefunden hat, die das Ende des einen Behandlungsabschnitts und den Beginn des zweiten Behandlungsabschnitts voneinander trennt.
Die Klage einer aus mehreren Fachärzten für Anästhesie bestehenden BAG hatte Erfolg – und die Wieder-Auszahlung von rund 80.000 € zur Folge.
Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.12.2020 – S 7 KA 206/17
https://is.gd/wxKEV7
Beschäftigung einer Ärztin in Weiterbildung rechtswidrig nicht genehmigt
Durch eine vom Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung beschlossene Richtlinie für die Beschäftigung von Assistenten kann eine Beschränkung auf höchstens einen Vorbereitungsassistenten pro Vertragsarzt nicht wirksam geregelt werden. Hierfür bedarf es einer satzungsrechtlichen Regelung.
Die Zahl der zulässigen Beschäftigungsverhältnisse kann auf zwei beschränkt werden, da die Weiterbildung ein persönliches Engagement des Arztes (persönliche, grundsätzlich ganztägige Leitung und Gestaltung, persönliche Gespräche) voraussetzt.
Sozialgericht Marburg, Gerichtsbescheid vom 01.03.2021 – S 12 KA 18/20
https://is.gd/0VxHvu
Fristlose Chefarzt-Kündigung trotz nachgeschobener Gründe wirksam
Ein Chefarzt einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie ist mit der Klage gegen seine außerordentliche Kündigung gescheitert. Die Kündigung wurde ursprünglich auf eine Tätlichkeit gegenüber einer Mitarbeiterin gestützt, die bereits drei Jahre zurücklag. Im Rahmen des durch die Kündigungsschutzklage eingeleiteten Gerichtsverfahrens schob die Arbeitgeberin nach Anhörung und Zustimmung der Mitarbeitervertretung weitere Kündigungsgründe nach. Hierbei handelte es sich um vorsätzlich fehlerhafte Behandlungsabrechnungen, Patienten-Fehlbehandlungen aufgrund struktureller Missstände in der Klinik und einen Fall des Vertrauensbruchs gegenüber dem Familiengericht durch den Chefarzt im Zusammenhang mit der Beurlaubung eines Patienten.
Wie das BAG abschließend zuungunsten des Arztes entschied, können bei Ausspruch der fristlosen Kündigung bereits entstandene, aber dem Kündigenden noch nicht bekannte Kündigungsgründe auch dann im Rechtsstreit nachgeschoben werden, wenn die bei Ausspruch genannten Gründe sich im Nachhinein nicht nachweisen lassen oder bereits nach § 626 Abs. 2 BGB (2 Wochen ab Kenntnis) verfristet sind. Auch bei unrechtmäßig erfolgten Kündigungen gilt bei Nichterhebung der Klage der Grundsatz der Wirksamkeitsfiktion auf Grundlage der §§ 4 und 7 KSchG. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG und der herrschenden Meinung in der Literatur können grundsätzlich Kündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt waren, uneingeschränkt nachgeschoben werden, wenn sie bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden sind.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12.01.2021 – 2 AZN 724/20
https://is.gd/AyLXCc
Ärztin setzt sich erfolgreich gegen Kündigung zur Wehr
Die Anfrage einer angestellten Ärztin an die Ärztekammer zu fachlichen Standards und erforderlicher Ausbildung des Personals oder eine Anzeige zur fehlenden Einhaltung fachlicher Standards nach erfolglosem Versuch interner Klärung und ohne wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben ist keine Verletzung von Rücksichtnahmepflichten, die eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnte.
Ein fachlicher Austausch einer angestellten Ärztin über die Praxis der Umsetzung von Leitlinien Medizinischer Fachgesellschaften mit den Fachgesellschaften ohne wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben stellt ebenso wenig eine Verletzung von Rücksichtnahmepflichten dar, die eine Kündigung rechtfertigen könnte. Dies gilt auch dann, wenn bekannt ist, wo die Ärztin arbeitet und damit Rückschlüsse auf die Verhältnisse an ihrem Arbeitsort möglich sind.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.11.2020 – 9 Sa 426/20
https://is.gd/SA0gy9
Hinweis: Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt unter dem Aktenzeichen 2 AZN 28/21
Brustkrebsnachsorge: Kosten für MRT nach Wunsch nicht erstattungsfähig
Nach einer Brustkrebsoperation war bei einer Patientin eine konsequente Nachsorge erforderlich, um die Gefahr einer erneuten Krebserkrankung auszuschließen. Bei ihrer Krankenkasse beantragte die Frau die Kostenübernahme für eine jährliche MRT-Untersuchung. Sie teilte hierzu mit, dass andere Methoden für sie nicht in Betracht kämen. Ultraschall allein sei nicht sicher genug und eine Mammographie sei ihr nicht zumutbar, da sie durch die Kompression der Brust unerträgliche Schmerzen bis hin zur Ohnmacht erleide. Nach der Ablehnung ihres Antrags begehrte sie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Vorab-Genehmigung der Kostenübernahme – ohne Erfolg.
Wie das LSG Celle-Bremen entschied, muss die GKV ohne ärztliche Indikation nicht für regelmäßige MRT-Untersuchungen zur Brustkrebsnachsorge aufkommen. Nach den Empfehlungen und Richtlinien des G-BA komme eine MRT-Untersuchung nur bei Verdacht auf eine Rückkehr des Krebses in Betracht, sofern andere Untersuchungen nicht ausreichend sind. Im Falle der betroffenen Frau bestehe die Regelversorgung – mangels anderslautender fachärztlicher Indikationsstellung – in klinischen Tastuntersuchungen und Ultraschallkontrollen.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.03.2021 – L 4 KR 68/21 B ER,
https://is.gd/n7iSLt
Kosten für Fahrten zu ambulanter Operation nur bedingt beihilfefähig
Nach der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) sind Aufwendungen für Fahrten anlässlich einer ambulanten Operation im Krankenhaus oder in der Arztpraxis einschließlich der Vor- und Nachbehandlung nur dann beihilfefähig, wenn eine ärztliche Verordnung bescheinigt, dass die Beförderung (und nicht nur die Behandlung) aus medizinischen Gründen notwendig ist. Laut Bundesverwaltungsgericht gilt dies auch, wenn für die Fahrten ein privates Kraftfahrzeug benutzt wird.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 05.03.2021 – 5 C 14.19
- Entscheidung offenbar bisher nicht veröffentlicht -
Ausschreibung von Rabattverträgen für Kontrastmittel als Sprechstundenbedarf
Krankenkassen können Rabattverträge im Sinne des § 130a Abs. 8 SGB V für Kontrastmittel als Sprechstundenbedarf mit dem Ziel ausschreiben, dass nach Abschluss eines Rahmenvertrags (Exklusivvertrag) mit dem Ausschreibungsgewinner der Bezug des bezuschlagten Produkts durch Vertragsärzte als wirtschaftliche Verordnung gilt (Konkretisierung des wirtschaftlichen Bezugswegs).
Einer gesonderten gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf es hierfür nicht (Vorbehalt des Gesetzes). Gesetzliche Regelungen stehen einem solchen Vorgehen nicht entgegen (Vorrang des Gesetzes).
Die Therapiefreiheit eines Vertragsarztes wird durch die ausgeschriebenen Rahmenverträge nicht verletzt.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.02.2021 – L 4 KR 200/21 ER-B
https://is.gd/FsnRlR
Auf Honorarbasis tätiger Notarzt regelmäßig sozialversicherungspflichtig
Ein auf Honorarbasis für den Träger des öffentlichen Rettungsdienstes tätiger Notarzt übt diese Tätigkeit in der Regel im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses aus. Die gesetzlichen Vorgaben zur Ausgestaltung und Sicherung des öffentlichen Rettungsdienstes bedingen es gerade, dass der Träger des Rettungsdienstes maßgeblichen Einfluss auf das für ihn tätige Personal ausübt. Die Rettungsdienstträger haben zahlreiche Kontroll-, Sicherstellungs- und Lenkungsaufgaben, die zu einem nicht unmaßgeblichen Einfluss auf die Tätigkeiten der Notärzte führen. Die regulatorischen Rahmenbedingungen bewirken im Regelfall die Eingliederung auch des notärztlichen Personals in die Organisations- und Weisungsstruktur der Rettungsdienstträger.
Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.09.2020 – L 5 BA 51/18
https://is.gd/YSp1O3
Zur Strafbarkeit bestimmter Verwendungen kryokonservierter Eizellen
1. Wird eine menschliche Eizelle, in die zum Zweck der Herbeiführung der Schwangerschaft der Frau, von der die Eizelle stammt, künstlich eine menschliche Samenzelle eingebracht oder deren Eindringen künstlich bewirkt worden ist (imprägnierte Eizelle), und die noch im Vorkernstadium (2-PN-Stadium) vor der Entstehung eines Embryos kryokonserviert wurde, wieder aufgetaut, um die Schwangerschaft einer Frau herbeizuführen, von der die Eizelle nicht stammt, stellt dies eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Embryonenschutzgesetz strafbare missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken dar.
2. Bei einer Befruchtung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG handelt es sich um einen zeitlich gestreckten Vorgang, der mit dem Einbringen bzw. Eindringen einer Samenzelle in eine Eizelle beginnt und erst durch die Entstehung eines Embryos im Sinne der gesetzlichen Begriffsbestimmung des § 8 Abs. 1 1. Halbsatz ESchG, also durch den dort als Kernverschmelzung bezeichneten Vorgang, zum Abschluss kommt. Vom Begriff des Unternehmens der künstlichen Befruchtung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG wird damit jede Handlung erfasst, die die Entwicklung vom Zusammenführen von Ei- und Samenzelle bis zur Entstehung eines Embryos künstlich herbeiführt, unterstützt oder fördert, gleich zu welchem Zeitpunkt sie in den bezeichneten Befruchtungsvorgang künstlich eingreift.
3. In subjektiver Hinsicht bedarf es für die Strafbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG eines auf die objektiven Voraussetzungen des Unternehmens der Befruchtung gerichteten zumindest bedingten Tatvorsatzes sowie der Absicht, die Schwangerschaft einer Frau herbeizuführen, von der die Eizelle nicht stammt. Dabei kommt es nicht entscheidend auf den Willen des Handelnden zu Beginn der Befruchtungskaskade an, sondern auf den Willen zum Zeitpunkt der jeweiligen Tathandlung.
4. Hat sich eine künstlich imprägnierte Eizelle zu einem Embryo weiterentwickelt, und waren die die Befruchtung herbeiführenden bzw. fördernden Handlungen bis zu diesem Zeitpunkt von der Absicht getragen, die Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt, so ist die Übertragung des Embryos zu dessen Erhaltung auf eine andere Frau nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG strafbar.
5. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG ist ein Unternehmensdelikt im Sinn des § 11 Nr. 6 StGB und erfasst als strafbare Handlung auch den (untauglichen) Versuch. Ein solcher liegt auch dann vor, wenn eine kryokonservierte Eizelle, die objektiv bereits zum Embryo entwickelt war oder deren Entwicklungsstadium nicht feststellen lässt, wieder aufgetaut wird, der Handelnde aber zumindest billigend in Kauf nimmt, dass sich die Eizelle noch im 2-PN-Stadium befindet und er mit der Absicht handelt, die Schwangerschaft einer fremden Frau herbeizuführen.
Bayerisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04.11.2020 – 206 StRR 1459 - 1461/19
https://is.gd/qhMtrk
Zur Bestrafung nach illegaler Schönheitsspritzen-Behandlung
Die Strafe für eine Influencerin, die Frauen aus ganz Deutschland ohne Zulassung als Heilpraktikerin Lippen und Nasen fehlerhaft mit Hyaluronsäure aufgespritzt hat, muss zum Teil neu festgesetzt werden. Der BGH gab der Revision der Frau in mehreren Punkten statt. Zwar sah auch er den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung durch Verwendung einer Spritze als gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB als gegeben an, wertete die Unterspritzung der Nase oder Nasolabialfalte aber nicht als eine das Leben gefährdende Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Somit kann die Influencerin auf eine mildere Strafe hoffen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.10.2020 – 1 StR 158/20
https://is.gd/Q0vdKD
Persönlichkeitsrechtsverletzung durch 1-Stern-Bewertung
1. Die Bewertung eines Dienstleisters (hier: eines Arztes) auf einer Internet-Plattform, in der die Bewertungskriterien nicht aufgeschlüsselt werden, wird von dem angesprochenen Nutzerkreis als Gesamtbeurteilung verstanden, in die grundsätzlich beliebige Kriterien einfließen können. Der angesprochene Nutzerkreis erwartet aber, dass eines dieser Kriterien immer die fachliche (hier: ärztliche) Leistung ist, wenn sich nicht aus den weiteren Umständen – etwa aus einem Kommentar – etwas anderes ergibt.
2. Der Betroffene (hier: Arzt) kann eine Beanstandung gegenüber dem Host-Provider daher (auch ausschließlich) darauf stützen, dass die Bewertung unzulässig sei, weil ihr kein fachlicher (hier: ärztlicher) Kontakt zugrunde liege, wenn er keine weiteren Erkenntnisse über den Urheber der Bewertung und deren Kontext hat – insbesondere wenn die Bewertung pseudonym und kommentarlos abgegeben wurde. Der Betroffene muss sich insbesondere nicht – für den Host-Provider erkennbar spekulativ – auch dazu äußern, ob sich die Bewertung ausschließlich auf einen sonstigen, rein organisatorischen Kontakt, wie eine gescheiterte Terminvereinbarung oder die Freundlichkeit des Personals, beziehen könnte.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 06.07.2020 – 6 W 49/19
https://is.gd/CeHxv1
Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Rundschreiben
Ein in mehrere Hausbriefkästen eingeworfenes Schreiben, in dem von einem Zahnarzt behauptet wird, er habe aufgrund möglicher finanzieller Interessen ohne Not einen gesunden Zahn ziehen wollen und in einer eidesstattlichen Versicherung unwahre Angaben gemacht, stellt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn die Behauptungen nicht erweislich wahr sind.
Wird für die tatsächliche Grundlage der Behauptung, der Zahnarzt lege eine „skrupellose Vorgehensweise“ an den Tag, sodass jedem Patienten von einer Behandlung durch ihn abzuraten sei, kein Beweis angeboten, ist ein berechtigtes Interesse an der Kundgabe dieser Behauptung gegenüber unbeteiligten Dritten nicht ersichtlich.
Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 23.06.2020 – 3 W 1837/20
https://is.gd/vqMeBp
Zahnarzt ohne Fachzahnarzttitel ist kein „Zahnarzt für Kieferorthopädie“
Das OLG Oldenburg hat einem Zahnarzt untersagt, sich als „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ zu bezeichnen, sofern er nicht die nach dem Weiterbildungsrecht einer Zahnärztekammer erworbene Bezeichnung „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ führen darf. Die Bezeichnung als „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ erwecke den irreführenden Eindruck, der Zahnarzt sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie. Tatsächlich verfüge er aber nicht über einen von der Landeszahnärztekammer anerkannten Fachzahnarzttitel. Die Irreführung ergebe sich insbesondere daraus, dass er einen Begriff verwende, der nach der Weiterbildungsordnung der Zahnärztekammer als alternative Gebietsbezeichnung für einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie aufgeführt sei.
Zuvor hatte bereits das LG Aurich einer Klage der Wettbewerbszentrale hinsichtlich der Begriffe „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ und „KFO-Fachpraxis“ stattgegeben (Urteil vom 01.09.2020, Az. 3 O 25/20). Den Unterlassungsanspruch wegen der Verwendung des Begriffs „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ hatte das Landgericht dagegen abgewiesen, woraufhin die Wettbewerbszentrale in die Berufung ging.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 30.04.2021 – 6 U 263/20
https://is.gd/EC5QHI
Chirurg muss OP-Video von der Homepage nehmen
Ein Arzt, der in einem Video für seine chirurgischen Leistungen mit der musikalisch untermalten, von allen Seiten gefilmten Präsentation des resezierten Teils einer Bauchdecke wirbt, verstößt gegen die Berufsordnung. Er bedient sich des Mittels einer reißerischen, auf die Erregung von Aufmerksamkeit abzielenden Darstellung, die in dieser Form durch berechtigte Informationsinteressen nicht mehr gedeckt ist. Neben einem Verstoß gegen die Berufsordnung (Verpflichtung zur „sachgerechten und angemessenen“ Werbung) ist auch ein Wettbewerbsverstoß nach § 3a UWG begründet.
Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2021 – 38 O 45/20
https://is.gd/6DAiqi
Apotheke darf auf sie gesetzte „Facebook-Likes“ nicht vergüten
Ein Rundschreiben einer Apotheke an die Bewohner eines Seniorenheims, das durch seine Formulierungen den Bewohnern den Eindruck vermittelt, ihnen entstünden beträchtliche Nachteile, wenn sie ihren Apothekenbedarf nicht in der werbende Kooperationsapotheke decken, ist wettbewerbswidrig. Ein Hinweis auf die freie Apothekenwahl am Ende des Rundbriefs kann den Druck, den die irreführenden Äußerungen auslösen, nicht aufheben.
Die Werbung einer Apotheke mit der Bezeichnung „Notdienst Apotheke Y“ ist irreführend (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 UWG). Die Apotheke nimmt damit ein Alleinstellungsmerkmal in Anspruch, das sie nicht hat. Die Angabe suggeriert, dass es eine Besonderheit der Beklagten sei, regelmäßig am Notdienst beteiligt zu sein. Dies ist unzutreffend, wenn sich alle Apotheken in Y an dem Notdienst beteiligen.
Der Verwendung des „Facebook-Like-Buttons“ wohnt eine positive Bewertung inne, auch wenn sie nicht mit einem weiteren Text verbunden ist und mit der Abgabe von „Likes“ keine überprüfbaren Tatsachen verbunden sind. Die Zahl der „Likes“ spiegelt dennoch im allgemeinen Bewusstsein schon eine gewisse Beliebtheit wider, die mittelbar auch auf eine Kundenzufriedenheit schließen lässt.
Eine Werbung mit bezahlten Empfehlungen Dritter ist unzulässig, wenn dieser Umstand nicht offengelegt wird. Die Ankündigung oder Gewährung von zwei geldwerten „Schloss-Talern“ für die Abgabe eines „Likes“ ist daher irreführend und verstößt gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 UWG. Das Angebot der „Schloss-Taler“ stellt im Übrigen einen geldwerten Vorteil dar.
Landgericht Bonn, Urteil vom 04.12.2020 – 14 O 82/19
https://is.gd/Vxjby5