425.000 € Gesamtschmerzensgeld nach fehlerhafter Vitalüberwachung
Der Umstand, dass der infolge eines Behandlungsfehlers Geschädigte die verletzungsbedingten Einschränkungen bewusst wahrnimmt und hierunter in besonderem Maße leidet, rechtfertigt für sich genommen ein Schmerzensgeld, wie es für Fälle der vollständigen Persönlichkeitszerstörung zugesprochen wird, nicht. Geht die teilweise erhaltene Fähigkeit, die eigene Person und die eigene Umwelt zu erleben, mit der Fähigkeit einher, die eigenen Einschränkungen in verstärktem Maße wahrzunehmen, ist dies zwar dem Grunde nach schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. In erheblichem Umfang gilt dies aber erst dann, wenn sich hieraus ein psychisches Leiden mit Krankheitswert entwickelt. Der Gefahr, dass sich eine dem Schädiger anzulastende psychische Erkrankung noch entwickeln wird, kann durch einen Feststellungsantrag bezüglich der Zukunftsschäden Rechnung getragen werden.
Vor diesem Hintergrund sprach das OLG Dresden einem jugendlichen Kläger ein Gesamtschmerzensgeld von gerundet 425.000,00 € zu. Die Mutter des Klägers war in der 28. Schwangerschaftswoche wegen eines Darmverschlusses operiert worden. Hierbei unterließ das Krankenhauspersonal eine hinreichende Überwachung des ungeborenen Klägers, bemerkte infolge dessen zu spät dessen lebensbedrohliche Vitalparameter und ging auch nach Entdeckung der für das Ungeborene lebensbedrohlichen Situation nicht standardgemäß vor. Der Kläger kann infolgedessen heute nicht selbstständig laufen und aufrecht sitzen. Seine Umlagerung ist ebenfalls nur unter Hilfestellung möglich. Folgeerkrankungen sind zu erwarten. Darüber hinaus leidet der Kläger an kognitiven Einschränkungen.
Ein vorprozessuales Angebot zur Zahlung eines Schmerzensgeldes, das hinter dem letztlich zugesprochenen Betrag um mehr als die Hälfte zurückblieb, bezeichnete das Gericht als unzulässige Teilleistung, die der Kläger ablehnen durfte.
Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 18.08.2020 – 4 U 1242/18
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Bypass-Operation nach Herzinfarkt ohne Haftungsfolgen
Die am Vortag einer Bypass-Operation gegen 16:00 Uhr erfolgte Risikoaufklärung des Patienten ist noch als rechtzeitig anzusehen.
Geht der aufklärende Arzt aufgrund eines einfachen Diagnoseirrtums davon aus, dass eine Stentimplantation keine Alternative zu der beabsichtigten Bypass-Operation ist, scheidet seine Haftung wegen einer unzureichenden Aufklärung über Behandlungsalternativen aus.
Ob die postoperative Wundbehandlung des Thorax nach einer Bypass-Operation fachgerecht war, ist ausgehend vom herzchirurgischen Standard zu beurteilen; der Einholung eines mikrobiologischen Sachverständigengutachtens bedarf es hierzu nicht.
Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 21.08.2020 – 4 U 1349/18
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Zur Haftung nach dem Zurücklassen eines Operationstuchs im Patienten
Wird bei einem Patienten in zeitlich engem Zusammenhang mit einer Operation ein 25cm großes medizinisches Bauchtuch im Operationsgebiet vorgefunden, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass dieses bei der Voroperation übersehen wurde. Es ist dann Sache des beklagten Klinikums, diesen Beweis zu widerlegen.
Das unbemerkte Zurücklassen eines Fremdkörpers ist dem vollbeherrschbaren Bereich des Klinikums zuzuordnen, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die gebotenen organisatorisch-technischen Vorkehrungen hiergegen getroffen wurden.
Zu diesen Maßnahmen zählt jedenfalls auch eine Zählkontrolle, die zu dokumentieren ist, wobei es erforderlich ist, die einzelnen zu zählenden Gegenstände vor und nach der Operation ziffernmäßig aufzuführen und die Übereinstimmung beider Werte gesondert zu bestätigen. Mit dem Vermerk "Zählkontrolle: ja" genügt die Arztseite ihrer Dokumentationspflicht nicht.
Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 07.07.2020 – 4 U 352/20
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§ 103 Abs. 4c S. 3 SGB V auch bei der Sonderbedarfszulassung anwendbar
Die Vorschrift des § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V, wonach bei der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes überwiegend von Nichtärzten betriebene MVZ nachrangig gegenüber anderen Bewerbern zu berücksichtigen sind, ist bei der Auswahl zwischen mehreren Bewerbern um eine Sonderbedarfszulassung entsprechend anzuwenden.
Mit der Regelung wird das Ziel verfolgt, die Freiberuflichkeit der ärztlichen Tätigkeit zu schützen und zu verhindern, dass im Nachbesetzungsverfahren Ärzte, die sich auf einem frei werdenden Vertragsarztsitz niederlassen wollen, durch MVZ verdrängt werden, deren Geschäftsanteile und Stimmrechte nicht mehrheitlich in der Hand von Vertragsärzten liegen, die in dem MVZ tätig sind. Gemeinsam mit den in § 95a Abs. 1a SGB V geregelten Einschränkungen der Gründungsberechtigung trägt die Vorschrift dazu bei, die Verdrängung freiberuflich tätiger Ärzte durch Kapitalgesellschaften in überversorgten Planungsbereichen zu vermeiden.
Es sind keine Unterschiede zwischen Nachbesetzungsverfahren und Zulassungsverfahren wegen Sonderbedarf erkennbar, die es nahelegen würden, dass der Gesetzgeber die Vorschrift des § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V bewusst nur für Auswahlverfahren wegen einer Praxisnachfolge geregelt hat. Vielmehr ist beiden Verfahren gemein, dass es um Zulassungserteilungen in überversorgten Gebieten geht, wo nach dem gesetzgeberischen Anliegen zu § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V der Gefahr der Verdrängung freiberuflich tätiger Ärzte entgegengetreten werden soll.
Sozialgericht München, Urteil vom 27.07.2020 – S 28 KA 438/19
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Zur Abrechnung der hausärztlichen Versichertenpauschale
Ein Facharzt für Allgemeinmedizin hat im Streit über die Rechtmäßigkeit einer Honorarrückforderung und die Frage, ob seine Vergütung auf den Fachgruppendurchschnitt zu kürzen war, auf dem Klageweg einen Teilerfolg erstritten. Er hatte unter anderem die Versichertenpauschale bis zu 218 mal an einem Tag abgerechnet. Aus den Patientenakten ging hervor, dass der Arzt dabei überwiegend Krankschreibungen vorgenommen und auffallend oft die Diagnosen J00 (Akute Rhinopharyngitis [Erkältungsschnupfen]), R51 (Kopfschmerz), R11 (Übelkeit und Erbrechen) und K29.1 (Meläna) dokumentiert hatte.
Nach den Feststellungen des Gerichts hat der Arzt die für die Abrechnung der Versichertenpauschale erforderlichen Leistungen erbracht. Für die Annahme eines zur Abrechnung der Pauschale obligaten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts seien keine Mindestzeiten vorgesehen. Es müsse zu einer „direkten Interaktion“ zwischen Arzt und Patient gekommen sein. Diese Interaktion könne sich wiederum nicht auf eine bloße Begrüßung und das Durchziehen der Versichertenkarte beschränken. Vielmehr müsse auch ein kuratives Tätigwerden des abrechnenden Arztes erfolgen. Allerdings könnten die Befragung eines Patienten sowie die daran geknüpfte Einschätzung, ob eine Arbeitsunfähigkeit gegeben ist oder Befreiungen für den Schulunterricht auszusprechen sind, auch innerhalb weniger Minuten erfolgen.
Sozialgericht Berlin, Urteil vom 29.07.2020 – S 83 KA 101/18
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Laser-Einsatz bei Kataraktoperationen rechtfertigt kein höheres Honorar
Ein privater Krankenversicherer muss nicht für erhöhte Kosten aufkommen, die durch den Einsatz eines speziellen Lasers bei bestimmten Augenoperationen entstanden sind.
Bei Kataraktoperationen (Behandlungen des Grauen Stars) berechnen Operateure des öfteren deutlich mehr als für eine Operation allein mit Skalpell, wenn sie zusätzlich einen sog. Femtosekundenlaser einsetzen. Sie machen dann dafür die Beträge geltend, die sie bei einer „intraoperativen Strahlenbehandlung mit Elektronen“ verlangen könnten.
Nach Auffassung des OLG Düsseldorf darf eine solche Laser-Operation nur wie diejenige mittels Skalpell und mit dem in der Gebührenordnung vorgesehenen geringen Zuschlag für einen Lasereinsatz abgerechnet werden. Der Einsatz des Lasers diene lediglich dazu, die bewährte und gebührenrechtlich erfasste Operationstechnik zu optimieren; er sei aber keine selbständige ärztliche Leistung.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2020 – 4 U 162/18
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Zur örtlichen Gerichtszuständigkeit bei Vertragsarztangelegenheiten
Bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 57a Abs. 2 SGG ist auf den Bezirk derjenigen KV abzustellen, mit dem die Vertragsarztangelegenheit in räumlicher Verbindung steht. Auf eine etwaige Abtretung des geltend gemachten Anspruchs (hier: Anspruch auf Erstattung von Sachkosten nach § 44 Abs. 6 BMV-Ä) kommt es nicht an.
Sozialgericht München, Beschluss vom 04.09.2020 – S 28 KA 144/20
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Gesundheitsbeschwerden: Ärztin erstreitet Befreiung vom Bereitschaftsdienst
Die Tätigkeit im ärztlichen Bereitschaftsdienst, verbunden mit unerwarteter Inanspruchnahme durch in der Regel unbekannte Patienten, setzt eine hohe Stressstabilität des Behandlers voraus, die in diesem Umfang im normalen Praxisalltag, vor allem bei einer Bestellpraxis, nicht erforderlich ist. Diese Stabilität kann eine Ärztin, die an einer Einschränkung des Hörvermögens, einer Polyneuropathie mit erheblichen Gangschwierigkeiten, unter Schmerzen in beiden Beinen, einer Optikusatrophie, einem Nervenleiden und einer Sehminderung leidet, nicht aufweisen. Dies gilt erst Recht im Zusammenhang mit den derzeit zu erfüllenden Pandemie-bedingten Hygienemaßnahmen.
Die Betroffene kann nicht einfach darauf verwiesen werden, sie habe lediglich 26 Dienststunden im Jahr zu leisten und eine Dienstabgabe bzw. Dienstvertretung sei möglich. Da es immer Mittel und Wege gibt, der Verpflichtung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst nachzukommen, würde dies im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass eine Befreiung vom Bereitschaftsdienst nie zu erteilen wäre.
Treten im laufenden Verfahren vor dem Sozialgericht neue Gesundheitsstörungen auf, sind diese für die Beurteilung, ob ein Befreiungsgrund vorliegt, mit zu berücksichtigen.
Sozialgericht München, Urteil vom 16.07.2020 – S 38 KA 111/19
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Bereitschaftsdienst: Keine optimale oder umfassende ärztliche Versorgung erwartet
Die Verpflichtung eines Vertragsarztes, den ärztlichen Bereitschaftsdienst in einer Bereitschaftsdienstzentrale mit schlechterer Ausstattung als am eigenen Praxissitz durchführen zu müssen, stellt keine unzumutbare Beeinträchtigung dar.
Eine Augenärztin wehrte sich dagegen, Bereitschaftsdienst nicht in ihrer eigenen, „sehr gut ausgestatteten Praxis“ ableisten zu können. Stattdessen werde Präsenz an dem „äußerst minderwertig ausgestatteten“ Ort des Augenärztlichen Bereitschaftsdienstes verlangt. Dieses vorgebrachte Argument lässt aber aus der Sicht des Gerichts eine unzumutbare Beeinträchtigung schon im Ansatz nicht erkennen. Aufgabe des Bereitschaftsdienstes ist die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung außerhalb der Sprechstundenzeiten. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass von dem Vertragsarzt im Bereitschaftsdienst keine optimale oder umfassende ärztliche Versorgung erwartet und verlangt wird. Er soll sich vielmehr auf qualifizierte Maßnahmen zur Überbrückung der sprechstundenfreien Zeit beschränken und die reguläre Weiterversorgung den behandelnden Ärzten überlassen und gegebenenfalls die Einweisung zur stationären Versorgung veranlassen. Diese Aufgabe ist nach Überzeugung des Gerichts auch mit der möglicherweise minderwertigen Ausstattung in der Bereitschaftsdienstzentrale zu erfüllen.
Sozialgericht Marburg, Beschluss vom 20. Juli 2020 – S 11 KA 279/20 ER
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Zur Zulassungsentziehung nach ungenügender Fortbildung
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Zulassungsentziehung kann der Umstand, dass die Entziehung zu einer Lücke in der vertragsärztlichen oder -psychotherapeutischen Versorgung führen könnte, keine Berücksichtigung finden.
Eine Vertragspsychotherapeutin wandte gegen ihre Zulassungsentziehung ein, sie habe im Fortbildungszeitraum rund 250 Stunden an Selbsterfahrung bei einer Lehranalytikerin der Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse absolviert. Auch wenn diese Fortbildung von der Psychotherapeutenkammer nicht als offizielle Fortbildung anerkannt worden sei, weil dafür die erforderlichen Anträge nicht gestellt worden seien, könne deswegen von einer gröblichen Pflichtverletzung ihrerseits nicht die Rede sein. Im Übrigen reiße ihr Fehlen ein großes Loch in die Versorgung, da nur sie junge afghanische Flüchtlinge mit Traumata in deren Muttersprache behandeln könne.
Das SG wies ihre Klage ab. Die angeführte Selbsterfahrung habe sie gegenüber ihrer Krankenversicherung als erhaltene Behandlung abgerechnet, sodass eine Anerkennung als Fortbildung ausscheide. Und bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Zulassungsentziehung könne der Umstand, dass die Entziehung zu einer Lücke in der vertragsärztlichen oder -psychotherapeutischen Versorgung führen könnte, keine Berücksichtigung finden, da die Fortbildungspflicht nichts mit Versorgungsgesichtspunkten zu tun habe.
Sozialgericht München, Urteil vom 27.07.2020 – S 28 KA 228/19
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Teures Medikament: Ohne Verordnung keine Kostenerstattung
Nach der Zulassung eines Medikaments haben Betroffene nicht automatisch einen abstrakten Leistungsanspruch gegen ihre gesetzliche Krankenkasse. Notwendig ist, dass die behandelnden Ärzte das Medikament auch verordnen. Der Einsatz des Medikaments muss medizinisch erforderlich und ärztlich beabsichtigt sein. Der alleinige Behandlungswunsch des Versicherten reicht nicht aus.
Eltern eines Mädchens hatten bezüglich der Behandlung der Erbkrankheit Spinale Muskelatrophie bei ihrer Tochter gegenüber ihrer Krankenkasse die Erstattung der Kosten einer Gentherapie ihrer Tochter mit dem Medikament Zolgensma beantragt. Die Verabreichung des Medikaments als Einmaldosis schlägt mit knapp zwei Mio. € zu Buche. Vor den Gerichten wurde die Verpflichtung der Kasse zur Kostenerstattung im Eilverfahren abgelehnt, die Beschwerde hiergegen wurde zurückgewiesen.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.06.2020 – L 16 KR 223/20 B ER
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„Ambulant vor stationär“ gilt auch für Privatversicherte
Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, auf die Interessen des Versicherers Rücksicht zu nehmen. Er verhält sich treuwidrig, wenn er Heilbehandlungen und Therapieformen über das Erforderliche hinaus in Anspruch nimmt. Diesem Rechtsgedanken zufolge ist er verpflichtet, sich vorrangig auf eine ambulante Behandlung verweisen zu lassen, um den Versicherer, aber auch die Gemeinschaft der Versicherten, zu schonen. Auch bei privaten Krankenversicherungen gilt der Vorrang der ambulanten vor der stationären Heilbehandlung.
Diese Differenzierung und die Nachrangigkeit der stationären Behandlung ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch erkennbar. Die Beurteilung hängt nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab, sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Maßgeblich ist die Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers als juristischem Laien, bei dem keine Kenntnisse von der Gesetzeslage vorausgesetzt werden können.
Landgericht Mannheim, Urteil vom 10.9.2020 – 9 O 383/19
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Krankengeld trotz verspäteten Attests
Einem Arbeitnehmer steht Krankengeld auch dann zu, wenn er das Attest für die fortdauernde Krankschreibung bei seiner Krankenkasse vom untersuchenden Arzt erst verspätet erhält und vorlegt.
Die unzureichende Büroorganisation eines Arztes liegt hier in der Risikosphäre der Krankenkasse. Ist ein Arzt, dessen sich die Kasse bedient, nicht in der Lage, eine AUB unverzüglich nach Untersuchung auszustellen, muss die Krankenkasse sich dieses Versäumnis zurechnen lassen.
Ein Arbeitnehmer hatte sich an einem Montag um eine erneute Krankschreibung bemüht. Der Arzt hatte ihm die Bescheinigung aber erst am folgenden Samstag übermittelt. Obwohl der Arbeitnehmer die AUB noch am gleichen Tag auf den Weg gebracht hatte, verweigerte die Kasse ihm das Krankengeld für die Zeit zwischen der Untersuchung und dem Erhalt der Bescheinigung: Der Betroffene hätte sich auch per Telefon oder Fax weiterhin krankmelden können.
Sozialgericht München, Urteil vom 17.06.2020 – S 7 KR 1719/19
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Rechtswidrige Werbung mit Brillengeschenk für „Corona-Helden“
Die Werbung einer Betreiberin von Augenoptikfachgeschäften in Deutschland Werbung mit einer Gratisbrille für „unsere Helden - exklusiv für Pflegerinnen, Pfleger, Ärztinnen und Ärzte“ ist als unlautere geschäftliche Handlung unzulässig. Denn bei der kostenlosen Abgabe einer Brille, auch im Rahmen einer Dankesaktion für „Corona-Helden“, handelt es sich um eine Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 HWG. Es bestehe die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Werbeadressaten, die sich für die Leistung (Brillengestell und Glas) entscheiden könnten, ohne die Produkte anderer Unternehmen in die Entscheidung einzubeziehen. Bei kostenlosen Waren ergibt sich die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung auch daraus, dass sich die Beschenkten durch den (sofortigen oder späteren) kostenpflichtigen Erwerb anderer Produkte erkenntlich zeigen.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 6.8.2020 – 2 W 23/20
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Zur Herstellung der Barrierefreiheit in einer Apotheke
Die barrierefreie Erreichbarkeit der Offizin nach § 4 Abs. 2a S. 1 ApBetrO erfordert grundsätzlich einen von Stufen, Schwellen und anderen Hindernissen vollständig freien Zugang, damit auch Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, selbständig, ohne fremde Hilfe in die Offizin gelangen können.
Weist eine Stufe im Eingangsbereich einer Apotheke eine Höhe von 4,5 bis 5,5 cm auf, kann nicht mehr von Barrierefreiheit ausgegangen werden. Bei einem Jahresumsatz von mindestens 1,2 Mio. € ist es einem Apotheker zumutbar, ca. 8.000 € in die Herstellung der Barrierefreiheit seiner Apotheke zu investieren.
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2020 – 16 K 7633/18
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