2019-12

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Geschäftsführende Ausschuss wünscht Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr 2020!

Anliegend übersenden wir Ihnen den Dezember-Newsletter 2019.

 
1. Urteile aus dem Medizinrecht

 

Keine Arzthaftung nach Zurücklassung eines Vaginaltupfers

Die Haftungsklage einer Patientin, in deren Körper nach medizinischer Versorgung ein Tupfer zurückgelassen worden war, gegen den behandelnden Arzt hatte keinen Erfolg, weil ein nachweisbarer kausaler Schaden nicht festgestellt wurde. 

Abgesehen davon befand das Gericht, dass das Zurücklassen eines Vaginaltupfers nach Versorgung eines Dammrisses einen Behandlungsfehler darstellt, wenn vor dem Eingriff nicht alle möglichen und zumutbaren Sicherungsvorkehrungen gegen ein solches Versäumnis getroffen wurden. Ob es zugleich in den vollbeherrschbaren Risikobereich der Arztseite fällt, kann dann offen bleiben.

Die Aufklärung bei der Versorgung eines Dammrisses braucht nicht darauf erstreckt zu werden, dass der Eingriff alternativ im Kreißsaal oder im Operationssaal erfolgen kann. Auch eine Aufklärung darüber, dass es bei einem solchen Eingriff zum Zurücklassen von Tupfern in der Wunde kommen kann, ist nicht geboten.

Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 24.04.2019 – 4 U 1616/18
- veröffentlicht unter juris.de -

 

Gynäkologen wegen Totschlags verurteilt 

Das LG Berlin hat zwei Frauenärzte wegen bewusster Tötung eines kranken Zwillingskindes zu Bewährungsstrafen verurteilt. Das Gericht sah als erwiesen an, dass die beiden Gynäkologen während eines Kaiserschnitts zunächst ein erstes gesundes Kind entbunden, dessen eineiige Zwillingsschwester dann aber mittels einer Kaliumchloridinjektion bewusst getötet haben.

Das zweite Mädchen litt unter einem schweren Hirnschaden, der bereits im Verlaufe der Schwangerschaft festgestellt worden war, weshalb sich die Eltern für eine sog. Spätabtreibung entschieden hatten. Anstatt aber das Kind bereits während der Schwangerschaft im Mutterleib zu töten, wie es bei einer entsprechenden Indikation rechtlich zulässig und medizinisch möglich gewesen wäre, warteten die Ärzte zunächst den Beginn der Geburt ab, um den Eingriff vorzunehmen. Das getötete Kind war nach Sachverständigenangaben lebensfähig.

Die beiden Ärzte hatten sich dahingehend eingelassen, dass sie angesichts der medizinischen Besonderheit des Falles im Interesse des gesunden Mädchens von einem sog. selektiven Fetozid – der gezielten Tötung eines Zwillings im Mutterleib vor Beginn der Geburt – abgesehen hätten. Sie seien davon ausgegangen, dass ihr Handeln rechtmäßig war, weil das Mädchen sich noch im (geöffneten) Mutterleib befunden habe, als sie die Injektion durchführten.

Landgericht Berlin, Urteil vom 19.11.2019 – 532 Ks 7/16

- Entscheidung offenbar bisher nicht veröffentlicht -

Quelle: Pressemitteilung des Kammergerichts Berlin
https://t.ly/rR0bW

 

Arzt war kein Dr. med. – 15.000 € Geldstrafe

Das AG Düsseldorf hat einen Arzt, der unberechtigt einen deutschen Doktortitel führte, zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 250 € verurteilt. 

Der angeklagte deutsche Staatsangehörige hatte im Iran Medizin studiert und nach seiner Promotion das Recht erhalten, dort den Doktor-Titel zu führen. In Deutschland betrieb er als Schönheitschirurg ein „Zentrum der ästhetischen Medizin“. Im öffentlichen Leben trat er als „MD“, „Dr.“ und „Dr. med“ auf. Die ÄK Nordrhein teilte dem Angeklagten zweimal schriftlich mit, dass es sich bei dem im Iran verliehen Titel um ein Berufsdoktorat handele, das der deutschen Promotion nicht entspreche, und dass sein Verhalten als Missbrauch von Titeln gemäß § 132a StGB strafbar sei. 

Diese Rechtsansicht bestätigte das Gericht. Dem Arzt sei untersagt, sich als „Dr.“ ohne Zusatz des Landes, in welchem er promoviert hat, oder als „Dr. med.“ zu bezeichnen. Nach den Grundsätzen der Kultusministerkonferenz für die Führung ausländischer Hochschulgrade könne ein ausländischer Hochschulgrad in der Form geführt werden, in welcher er verliehen wurde. Dabei müsse aber die verleihende Hochschule als zusätzliche Angabe geführt werden. Eine Umwandlung in einen entsprechenden deutschen Grad finde nicht statt. In einer ergänzenden Vereinbarung der Länder seien besondere Regelungen für Hochschulgrade aus Mitgliedstaaten der EU und vereinzelte andere, nicht jedoch für solche aus dem Iran getroffen worden.

Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.08.2019 – 119 Cs - 110 Js 2401/19 - 426/19
https://t.ly/jygqD

 

OLG Köln: Ausgestaltung des Portals jameda.de in Teilen unzulässig 

Zwei Ärzte haben erfolgreich die Jameda GmbH auf Löschung des auf der Plattform jameda.de ohne ihr Einverständnis angelegten kostenlosen Bewertungsprofils verklagt. Das OLG Köln hat entschieden, dass mehrere frühere bzw. aktuelle Ausgestaltungen der Plattform unzulässig sind. Mit ihnen verlasse Jameda die zulässige Rolle des „neutralen Informationsmittlers“ und gewähre an die Plattform zahlenden Ärzten auf unzulässige Weise „verdeckte Vorteile“. Andere von den Klägern gerügte Funktionen hielt das Gericht dagegen für zulässig.

Der Senat beanstandete insbesondere, dass auf dem ohne Einwilligung eingerichteten Profil der Kläger (sog. „Basiskunden“) auf eine Liste mit weiteren Ärzten verwiesen wurde, während auf den Profilen der Ärzte, die Beiträge an die Plattform bezahlen (sog. „Premium-“ oder „Platinkunden“), ein solcher Hinweis unterblieben ist. Unzulässig sei ebenfalls, dass die zahlenden Ärzte in Auflistungen mit Bild dargestellt wurden, während auf den Profilen der anderen Ärzte nur ein grauer Schattenriss zu sehen ist. Dasselbe gelte für den Verweis auf Fachartikel von zahlenden Ärzten, während auf den Profilen von sog. Platinkunden ein solcher Verweis unterbleibt. Schließlich sei auch der Hinweis auf eine Liste mit Ärzten für spezielle Behandlungsgebiete unzulässig, der ebenfalls auf den Profilen zahlender Ärzte nicht zu sehen ist.

Anders als das Landgericht, das in erster Instanz die gesamte Ausgestaltung der Plattform für unzulässig gehalten hatte, hat der Senat die verschiedenen Funktionen einer Einzelfallbetrachtung unterzogen. Nach der BGH-Rechtsprechung sei entscheidend, ob die Plattform ihre grundsätzlich geschützte Position als „neutrale Informationsmittlerin“ dadurch verlassen habe, dass sie den zahlenden Kunden „verdeckte Vorteile“ zukommen lasse. Das sei der Fall, wenn die ohne ihre Einwilligung aufgenommenen Basiskunden auf dem Portal als „Werbeplattform“ für Premiumkunden benutzt würden und letzteren durch die Darstellung ein Vorteil gewährt werde, der für die Nutzer nicht erkennbar sei. Dann diene das Portal nicht mehr allein dem Informationsaustausch zwischen (potentiellen) Patienten. In diesem Fall müssten Ärzte nicht hinnehmen, ohne ihre Einwilligung als Basiskunden bei jameda.de geführt zu werden. 

Der Senat hat die Revision für beide Seiten in beiden Verfahren zugelassen, da die Frage, in welchen Fällen eine Bewertungsplattform die Rolle als „neutrale Informationsmittlerin“ verlässt, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht vollständig geklärt sei und für eine Vielzahl künftiger Verfahren Bedeutung haben werde.

Oberlandesgericht Köln, Urteile vom 14.11.2019 – 15 U 89/19 und 15 U 126/19
https://t.ly/vn06b
https://t.ly/np02g

 

Zum vom Betreiber eines Arztbewertungsportals zu verlangenden Prüfungsaufwand 

Das OLG Braunschweig hat die gerichtliche Feststellung bestätigt, dass der Betreiber eines Ärztebewertungsportals im Rahmen der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten gehalten sein kann, von dem Verfasser einer anonymen Arztbewertung im Internet zu verlangen, eine Auskunft der Krankenkasse nach § 305 SGB V vorzulegen – um zu prüfen, ob der Patient tatsächlich bei dem bewerteten Arzt in Behandlung war.

Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 18.06.2019 – 2 U 97/18
https://t.ly/ZB9qB
Bestätigung des Urteils des LG Braunschweig vom 28.11.2018 – 9 O 2616/17 (369).

 

Arztwerbung für Wertgutschein auf einer Rabatt-Plattform ist irreführend 

Zwei Ärzte, die nach eigenen Aussagen eine „Praxis für ästhetische Medizin und kosmetische Chirurgie“ in Nordrhein-Westfalen betreiben, bewarben auf einer Internetplattform, die Verbrauchern „einen großen Marktplatz für unschlagbare Angebote auf der ganzen Welt“ einschließlich „individuell anpassbarer Deal-Kampagnen“ bietet, einen „Wertgutschein über 499 € – anrechenbar auf Faltenreduktion an einer Zone nach Wahl für 1 Person“. Die Wettbewerbszentrale beanstandete dies, weil die GOÄ keine Pauschal- oder Festpreise, sondern eine Abrechnung nach der Behandlung innerhalb eines Gebührenrahmens und unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten und des Zeitaufwandes bei der Behandlung vorsehe, und klagte erfolgreich auf Unterlassung.

Die Ärzte trugen im Prozessverlauf vor, dass eine Abrechnung entsprechend der gebührenrechtlichen Regelungen erfolge. Dann aber, so das Gericht, liege ein Verstoß gegen das Verbot der irreführenden Werbung vor. Denn der angesprochene Verkehr verstehe die Werbung dahingehend, dass die beworbene Behandlung zu einem Pauschalpreis von 499,00 € durchgeführt werde. 

Landgericht Köln, Urteil vom 30.10.2019 – 84 O 128/19
https://t.ly/yYdb7

 

Werbung für die AU-Schein-Ausstellung per WhatsApp ist wettbewerbswidrig  

Das Angebot, Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen über den Messenger-Dienst WhatsApp  im Rahmen einer Fernbehandlung auszustellen, ist wettbewerbswidrig, da es mit der einzuhaltenden ärztlichen Sorgfalt nicht vereinbar ist, dass ein Arzt grundsätzlich auf den persönlichen Kontakt mit dem Patienten verzichtet. 

Ein Unternehmen bot an, Kunden „AU-Scheine“ durch einen kooperierenden Arzt im Rahmen einer Ferndiagnose per WhatsApp  zu verschaffen. Erkrankte mussten dafür lediglich mehrere vorformulierte Fragen online beantworten. Das LG Hamburg sah in diesem Angebot einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen die ärztliche Sorgfalt. Aus § 25 MBO-Ä ergebe sich ebenso wie aus § 25 der Hamburger BO-Ä, dass ein Arzt bei der Ausstellung von ärztlichen Dokumenten mit der notwendigen Sorgfalt und nach bestem Wissen zu verfahren habe. Damit sei es nicht zu vereinbaren, über den Einzelfall hinaus AU-Scheine regelmäßig ohne persönlichen Kontakt zu erteilen. Auch bei leichteren Erkrankungen wie Erkältungen könne nicht auf den unmittelbaren Kontakt verzichtet werden, weil die Krankschreibung auch Grundlage für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sei. 

Das von dem beklagten Unternehmen eingesetzte Verfahren basiere im Normalfall ausschließlich auf den Angaben des Patienten. Auch wenn der Arzt im Rahmen eines Telefonats oder Video-Chats Rückfragen stellen könne, ermögliche dies weder eine zuverlässige Identitätsfeststellung noch einen vertieften Einblick in den Gesundheitszustand des Erkrankten.

Landgericht Hamburg, Urteil vom 03.09.2019 – 406 HK O 56/19
https://t.ly/xN0Wg

 

Wettbewerbswidrige Online-Werbung von Ottonova  

Die Online-Bewerbung einer ärztlichen Fernbehandlung durch die digitale Krankenkasse Ottonova  ist wettbewerbswidrig – und zwar auch dann, wenn die eigentliche Fernbehandlung rechtlich zulässig ist. 

Die beklagte Krankenkasse warb im Internet wie folgt für den „digitalen Arztbesuch“:

„Bleib einfach im Bett, wenn du zum Arzt gehst:  Vorbei ist die Zeit, in der du dich mit Schnupfen zum Arzt schleppen musstest. Ab jetzt erhältst Du Diagnosen  und Krankschreiben direkt über dein Smartphone. Ohne zusätzliche Kosten, wenn Du bei (...) versichert bist.“

„Warum du den digitalen Arztbesuch lieben wirst: Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App.“

Das LG München I stufte diese Aussagen als wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 9 HWG ein. Die Norm verbiete die Werbung für Fernbehandlungen ausdrücklich. Ob die zugrundeliegende Fernbehandlung rechtlich zulässig sei, spiele dabei keine Rolle. Denn § 9 HWG untersage ausdrücklich nur die Bewerbung, nicht aber die Durchführung. Das Werbeverbot ziele auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit, denn nur eine persönliche Wahrnehmung und Untersuchung durch einen Arzt gewährleiste eine grundsätzliche Heilung.

Landgericht München I, Urteil vom 16.07.2019 – 33 O 4026/18
- veröffentlicht unter juris.de -
Hinweis: Berufungsverfahren vor dem OLG München anhängig (6 U 5180/19).

 

Werbung für Arzneimittelversand nach Ferndiagnose ist wettbewerbswidrig  

Die Bewerbung eines Online-Angebots, das die Zusendung von verschreibungspflichtigen Medikamenten nach der Konsultation eines Arztes mittels Ferndiagnose vorsieht, verstößt gegen § 9 HWG und ist wettbewerbswidrig.

Ein Unternehmen bot auf seiner Webseite die Versendung verschreibungspflichtiger Medikamente an deutsche Verbraucher an. Zuvor sollten die Kunden kooperierende Ärzte online konsultieren. Das LG Berlin sah hierin eine wettbewerbswidrige Verletzung des § 9 HWG, wonach Werbung für Ferndiagnosen verboten ist. Eine Reduktion der Norm dahingehend, dass das Werbeverbot nur dann greife, wenn auch die tatsächliche Fernbehandlung untersagt sei, komme in Ermangelung eines sachlichen Grundes nicht in Betracht, so das Gericht. § 9 HWG beinhalte ein abstraktes Gefährdungsdelikt, sodass es keine Rolle spiele, ob die Durchführung der angebotenen Fernbehandlung lediglich beabsichtigt, tatsächlich durchgeführt oder auch für sich genommen rechtmäßig sei.

Landgericht Berlin, Urteil vom 01.04.2019 – 101 O 62/17
- veröffentlicht unter juris.de -

 

Unzulässige Arzneimittel-Werbung durch niederländischen Supermarkt 

Ein niederländischer Supermarkt, der auch eine Drogerie umfasst, darf in deutschen Tageszeitungen nicht für in den Niederlanden nicht rezeptpflichtige Medikamente werben, wenn diese in Deutschland der Rezeptpflicht unterliegen. 

Der Supermarktbetreiber hatte mit dem  Slogan „Februar ist Medikamentenmonat – sparen Sie bis zu 60%“ in einer Zeitungsanzeige geworben. Mit einem dort abgedruckten QR-Code konnte das Angebot an Arzneimitteln, zu dem auch das in Deutschland verschreibungspflichtige Schmerzmittel Voltaren Emulgel zählte, im Internet aufgerufen werden.

Das LG Dortmund lehnte einen Wettbewerbsverstoß gemäß §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 10 Abs. 1 HWG noch ab, da mit der Anzeige selbst nicht für ein konkretes Produkt (hier: Voltaren Emulgel) geworben werde. 

Das OLG Hamm dagegen befand, es liege eine vom HWG erfasste Absatzwerbung vor. Schließlich stehe gerade der konkrete Absatz der angebotenen Produkte bei der Werbeaktion im Vordergrund. Das Verhalten der Beklagten unterfalle auch § 10 Abs. 1 HWG, wonach für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden darf. Dieser Tatbestand sei sehr weit auszulegen. Die angegriffene Werbeanzeige verleite den Verbraucher dazu, sich mit dem Angebot der Beklagten (und dem rezeptpflichtigen Arzneimittel) näher zu beschäftigen, und es entstehe die Gefahr schwerwiegender gesundheitlicher Folgen, vor denen es den Verbraucher  zu schützen gelte. Unbeachtlich sei, dass der Verbraucher erst nach Eingabe des QR-Codes zu dem genauen Angebot gelange oder das Angebot einen Mix aus verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten enthalten habe. 

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 18.06.2019 – I-4 U 18/19
https://t.ly/pe0O9

 

Wettbewerbswidrige Werbung für Hörgeräte

Die an Verbraucher gerichtete Verkaufswerbung für Hörgeräte mit dem Slogan „Vom HNO-Arzt empfohlen“ verstößt gegen das im HWG enthaltene Verbot der irreführenden Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte mit Empfehlung außerhalb von Fachkreisen, wenn eine solche konkrete berufsrechtswidrige Empfehlung von Ärzten für die beworbenen Geräte gar nicht ausgesprochen worden ist.

Im Berufungsverfahren erkannte das OLG Hamm auf einen Unterlassungsanspruch der Wettbewerbszentrale gegen das werbende Unternehmen aus §§ 8 Abs. 1; 3 Abs. 1, 3a UWG i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG. Die beanstandete Werbung verstoße gegen die Marktverhaltensregelung § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG, wonach für Arzneimittel außerhalb der Fachkreise nicht mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen geworben werden darf, wenn diese Hinweise in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen. § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG gilt nach § 11 Abs. 1 S. 2 HWG entsprechend für Medizinprodukte, also auch für Hörgeräte.

Die angegriffene Werbung erzeuge den unzutreffenden und damit irreführenden Eindruck, dass tatsächlich eine generelle fachärztliche Empfehlung für die Produkte des beklagten Unternehmens ausgesprochen worden sei bzw. werde. Tatsächlich sei die beworbene ärztliche Empfehlung aber weder von mehreren Ärzten, noch von einem (bestimmten) Arzt getätigt worden. 

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 13.06.2019 – I-4 U 5/19
https://t.ly/e70qD

 

Krankenkassen dürfen keine vorsorglichen Rückstellungen bilden

Eine Krankenkasse darf in der Jahresrechnung Verpflichtungen wegen des Haftungsrisikos bei Schließung anderer Krankenkassen erst buchen, wenn der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hierfür eine Umlage durch Bescheid angefordert hat.

Eine bundesunmittelbare Betriebskrankenkasse buchte ab 2011 in ihren Jahresrechnungen Rückstellungen für ein selbst geschätztes Haftungsrisiko bei der Schließung anderer für Betriebsfremde geöffnete Betriebskrankenkassen (zum Beispiel 2016: 65 Mio. €). Die beklagte Bundesrepublik, vertreten durch das Bundesversicherungsamt, beanstandete dies und verpflichtete die Kasse, die Rückstellungen in der Jahresrechnung 2017 auszubuchen. 

Die Abweisung der hiergegen gerichteten Klage wurde durch das BSG bestätigt: Die Jahresrechnung habe ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Krankenkassen zu vermitteln. Rückstellungen aufgrund ungewisser Verpflichtungen oder für einen nach dem Haushaltsjahr liegenden künftigen Zeitraum bedürften einer besonders geregelten Rechtfertigung. Die Buchung von Verpflichtungen aus Umlagen für Schließungsfälle sei nur für den Fall vorgesehen, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen diese durch Umlagebescheid angefordert hat.

Bundessozialgericht, Urteil vom 08.10.2019 – B 1 A 2/19 R
- Entscheidung offenbar bisher nicht veröffentlicht -

 

Zur Betriebspflicht einer Präsenz-Apotheke 

Vereinbaren Gewerbe-Mietvertrags-Parteien für eine Präsenz-Apotheke eine Betriebspflicht, so hat der Apotheker diese grundsätzlich als Präsenz-Apotheke und nicht als Versand-Apotheke weiterzuführen.

Ohne weitere Vereinbarungen trägt der Mieter das Verwendungsrisiko. Dies gilt auch für den Fall, dass die Apotheke nur unrentabel oder auch verlustbringend betrieben werden kann.

Ist nur die Betriebspflicht und nicht die Offenhaltungspflicht vertraglich geregelt, so sind die branchenüblichen Öffnungszeiten, die sich aus gesetzlichen Bestimmungen für Apotheken ergeben, über eine ergänzende Vertragsauslegung zugrunde zu legen.

Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 27.06.2019 – 1 U 1471/18
- veröffentlicht unter juris.de -

 

 

2. Aktuelles

 

Zahl der Medizinischen Versorgungszentren in 2018 gestiegen

Der Auswertung einer aktuellen MVZ-Statistik der KBV zufolge nehmen immer mehr MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Ende 2018 gab es rund 3.200 MVZ in Deutschland. Im Vorjahr wurden rund 2.800, 2016 etwa 2.500 gezählt. Im Vergleich zu 2017 stieg die Gesamtzahl somit um 13 Prozent. 

Die meisten MVZ wurden bislang in Bayern (630), Nordrhein, Niedersachsen und Berlin zugelassen. Durchschnittlich arbeiten in jedem MVZ 6,2 Ärzte. Insgesamt sind in Deutschland fast 20.000 Ärzte in MVZ tätig, 92 % davon in angestellter Position. Hausärzte, fachärztliche Internisten und Chirurgen sind am häufigsten vertreten.

Etwas weniger als die Hälfte aller MVZ sind Krankenhaus-MVZ. Vertragsärzte und Krankenhäuser sind zu etwa gleicher Zahl an MVZ-Betrieben beteiligt. Die bevorzugte Rechtsform zum MVZ-Betrieb ist die Gesellschaft GmbH. 

Zur Statistik-Auswertung „Medizinische Versorgungszentren aktuell“ (Stichtag: 31.12.2018):
https://t.ly/dv0qM
Zur Statistik-Auswertung „Entwicklung der Medizinischen Versorgungszentren“ (Stichtag: 31.12.2018):
https://t.ly/GjwKd

 

EBM-Reform zum 01.04.2020 beschlossen 

KBV und GKV-Spitzenverband haben sich am 11.12.2019 nach mehrjährigen Verhandlungen auf eine „kleine“ EBM-Reform zum 01.04.2020 geeinigt. Dabei wurde die Weiterentwicklung des EBM auf das Nötigste beschränkt.

Im Fokus der Reform steht die betriebswirtschaftliche Neukalkulation ärztlicher und psychotherapeutischer Leistungen. Sie wurde an die aktuelle Kostenstruktur der einzelnen Arztgruppen angepasst. Auch die durchschnittlich für eine Behandlung oder Untersuchung benötigten Zeiten wurden überprüft und angepasst. 

Die Summe des von den Krankenkassen bereitgestellten Geldes hat sich nicht erhöht. Aufbau und Struktur des EBM bleiben von der Reform weitgehend unberührt. Nur wenige Leistungen werden neu in den EBM aufgenommen. 

Infolge des TSVG kommt es zu Absenkungen der Leistungsbewertungen bei den technischen Fächern (Radiologie, Strahlentherapie, Nuklearmedizin, fachärztliche Internisten). Hausärzte, grundversorgende Fachärzte und die Fachgruppen der Psychotherapie, Psychosomatik, Psychiatrie, Neurologie und Nervenheilkunde erhalten dagegen mehr Honorar für Gesprächsleistungen. Auch die Gesprächsanteile in den fachärztlichen Leistungen werden aufgewertet.

EBM neu (Arbeitsentwurf):
https://t.ly/Kjdrp
Bewertungstabelle zum neuen EBM:
https://t.ly/xN0We

 

G-BA beschließt Bundeseinheitliche Qualitätsanforderungen für die Übernahme von besonderen Aufgaben durch Krankenhäuser der Spitzenmedizin 

Besondere medizinische Leistungen, beispielsweise Tumorkonferenzen, können künftig auch für Patienten anderer Krankenhäuser in allen Bundesländern an kompetenten Stellen der Spitzenmedizin angeboten und finanziert werden. Der G-BA hat am 05.12.2019 bundeseinheitliche Voraussetzungen beschlossen, die Krankenhäuser erfüllen müssen, um besondere Aufgaben als Zentren übernehmen zu können.

Zentren sind Krankenhäuser der Spitzenmedizin, die aufgrund besonderer Spezialisierung, medizinischer Kompetenz und Ausstattung Aufgaben für andere Krankenhäuser übernehmen, beispielsweise Behandlungsempfehlungen erarbeiten oder interdisziplinäre Fallkonferenzen für onkologische Patienten anderer Kliniken durchführen. Der G-BA hat bisher zu Zentren für seltene Erkrankungen, onkologischen Zentren, Traumazentren, rheumatologischen Zentren und Herzzentren beraten. 2020 sollen weitere versorgungsrelevante Zentren hinzukommen, für die zunächst eine Übergangsregelung beschlossen wurde: Schlaganfallzentren (interdisziplinäre neurovaskuläre Zentren), Lungenzentren, sonstige ausgewiesene Zentren, nephrologische Zentren und kinderonkologische Zentren. Die besonderen Aufgaben sind über Zentrumszuschläge zu finanzieren.

Der Auftrag, besondere Aufgaben von Zentren zu definieren und bundeseinheitliche Qualitätsanforderungen an die Aufgabenwahrnehmung festzulegen, resultiert aus dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz. Die Erstfassung der „Regelungen zur Konkretisierung der besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten“ soll nach Nichtbeanstandung durch das BMG und Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 01.01.2020 in Kraft treten.

Beschluss der Erstfassung:
https://t.ly/OBxql

 


3. Veranstaltungshinweis

Am 13. März 2020 findet am Bielefeld Center for Health Care Compliance eine Fachtagung zum Thema Compliance-Management  in Einrichtungen des Gesundheitswesens statt. Diese Veranstaltung wird in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht angeboten. Das Programm finden Sie hier. Über diesen Link gelangen Sie zur Anmeldung.


4. Sonstiges

 

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Wir bieten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in einer teamorientierten Atmosphäre und selbstverantwortliches Arbeiten. Die Vergütung erfolgt nach Qualifikation und Berufserfahrung.

Der Aufgabenbereich umfasst die Begleitung der Mandanten (Praxisinhaber, Berufsausübungsgemeinschaften, MVZ) bei allen relevanten Aktivitäten wie beispielsweise Praxiskauf und -verkauf, Abrechnungsfragen, Zulassungsfragen und Gründungen von Medizinischen Versorgungszentren sowie die Prozessvertretung vor den Gerichten.

Bei Interesse unterstützen wir Sie bei dem Erwerb des Fachanwaltstitels und/oder bei Ihrer Promotion. 

Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung, welche von uns selbstverständlich vertraulich behandelt wird. 

Busse & Miessen Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
RA Dr. Ronny Hildebrandt
Rankestraße 8
10789 Berlin
buero.hildebrandt@busse-miessen.de
www.busse-miessen.de
Tel. 030/226 336 10

 

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Zur Erweiterung unseres Spektrums suchen wir

Rechtsanwälte/-anwältinnen

mit Schwerpunkt im Medizin- bzw. Gesundheitsrecht.

Wir sind eine medizin-/gesundheitsrechtlich orientierte Kanzlei mit Sitz in der Dortmunder Innenstadt (Parkplätze in hauseigener Tiefgarage, großzügige Büro- und Besprechungsräume, Bibliothek etc.). Für unsere Mandanten (Ärzte, Krankenhaus- und MVZ-Träger, Haftpflichtversicherer, Organisationen im Gesundheitswesen u. a.) sind wir beratend, gestaltend und auch forensisch tätig. Darüber hinaus vertreten wir das Medizin- und Gesundheitsrecht auch wissenschaftlich im Rahmen juristischer Veröffentlichungen sowie Kongress- und Fortbildungsveranstaltungen.

Willkommen sind uns Kollegen/-innen mit Berufserfahrung – gern auch mit eigenem Mandantenstamm – ebenso wie am Fachgebiet interessierte Berufsanfänger. Gerne unterstützen wir Sie bei der Absolvierung eines Fachanwaltskurses oder beim Erwerb eines fachbezogenen Mastergrades (LL.M). Ihre Bewerbung behandeln wir auf Wunsch streng vertraulich.

Bei Interesse bitten wir um Kontaktaufnahme:

rehborn.rechtsanwälte
Prof. Dr. Martin Rehborn
Brüderweg 9
44135 Dortmund
email: m.rehborn@rehborn.com
tel.: 0231 / 222 43 112 oder 0173 / 28 39 765

 

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pwk & PARTNER ist eine bundesweit, hochspezialisiert im Medizinrecht tätige Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in Dortmund. Wir verstehen uns als kompetente Ansprechpartner für niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser, Medizinische Versorgungszentren, Privatkliniken, Berufsverbände, Praxisnetze, Pflegeeinrichtungen und alle anderen Leistungserbringer im Gesundheitswesen.

Zur Verstärkung unseres Teams in Dortmund suchen wir für den Bereich des Gesellschaftsrechts eine(n)

Rechtsanwalt (m/w).

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Schriftliche Bewerbungen richten Sie bitte an
pwk & PARTNER Rechtsanwälte mbB
Herrn Rechtsanwalt Peter Peikert
Saarlandstr. 23
44139 Dortmund
T +49 (0) 231 77574-118
peter.peikert@pwk-partner.de

 

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Impressum

Herausgegeben vom Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein

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Fax 030 – 72 61 52 – 190

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