2019-03

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

anliegend übersenden wir Ihnen den März-Newsletter 2019.

 
1. Urteile aus dem Medizinrecht

 

Zu den Anforderungen an den Patientenvortrag im Arzthaftungsprozess

Im Arzthaftungsprozess wird die erweiterte – sekundäre – Darlegungslast der Behandlungsseite ausgelöst, wenn die primäre Darlegung des Konfliktstoffs durch den Patienten den insoweit geltenden maßvollen Anforderungen genügt und die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für ihn gestattet, während es dieser möglich und zumutbar ist, den Sachverhalt näher aufzuklären. Letzteres wird bei der Behauptung eines Hygieneverstoßes regelmäßig der Fall sein.

Wird im Rahmen einer Krankenhausbehandlung die Entscheidung zur Durchführung der Antibiotikaprophylaxe nicht umgesetzt, ist die Frage, ob es sich dabei um einen groben Behandlungsfehler handelt, zumindest auch unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens zu stellen.

Zeigt sich bei einer Patientin nach einer Krankenhausbehandlung eine bakterielle Infektion, kann auch ein möglicherweise dafür ursächlicher Hygienefehler als grob zu qualifizieren sein. Auch und gerade bei der Behauptung von Hygieneverstößen sind an den Patientenvortrag maßvolle Anforderungen zu stellen. So muss sich eine bakteriell infizierte Patientin, von der keine naturwissenschaftlichen und medizinischen Kenntnisse verlangt werden können, nicht auf nur eine mögliche Schadensursache festlegen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.02.2019 – VI ZR 505/17
https://goo.gl/S3z5td

 

Zur Verwendung von Häufigkeitsdefinitionen im Rahmen der Risikoaufklärung 

Etwaige verbale Risikobeschreibungen (gelegentlich, selten, sehr selten etc.) in ärztlichen Aufklärungsbögen müssen sich nicht an den Häufigkeitsdefinitionen des Medical Dictionary for Regulatory Activities (MedDRA), die in Medikamentenbeipackzetteln Verwendung finden, orientieren. 

Der Kläger wäre im Streitfall dann nicht ordnungsgemäß über das Risiko der Lockerung des Implantats aufgeklärt worden, wenn die Angabe, es komme „gelegentlich“ zu Lockerungen der Prothese, das nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts in Höhe von 8,71 % bestehende Lockerungsrisiko verharmlost hätte. Dies hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint (OLG Frankfurt, Urteil vom 20.02.2018 – 8 U 78/16). 

Die Verwendung des Wortes „gelegentlich“ bezeichnet den Ausführungen im deutschen Duden zufolge eine gewisse Häufigkeit, die größer als „selten“, aber kleiner als „häufig“ ist. Eine statistische Häufigkeit im einstelligen Prozentbereich lässt sich nach allgemeinem Sprachgebrauch also ohne weiteres unter den Begriff „gelegentlich“ fassen. 

Dass der Begriff „gelegentlich“ im Kontext der Patientenaufklärung anders als sonst verwendet wird, ist nicht zu erkennen. Insbesondere haben die Häufigkeitsdefinitionen des MedDRA nicht einmal in diesem Kontext Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden. Somit ist nicht davon auszugehen, dass sich die Häufigkeitsdefinitionen des MedDRA, nach dem eine Häufigkeit von 8,71 % nicht als „gelegentlich“, sondern als „häufig“ gilt, für die Kommunikation zwischen Arzt und Patient im Rahmen der Eingriffsaufklärung allgemein durchgesetzt haben.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.01.2019 – VI ZR 117/18
https://goo.gl/G7BHb1

 

Erfolgreiche Haftungsklage nach geburtsbedingter Schädigung 

Bei einem zu erwartenden Geburtsgewicht von (je nach Schätzung deutlich) über 4000g, erheblichem Übergewicht und nicht auszuschließendem Schwangerschaftsdiabetes muss die Mutter frühzeitig über die Möglichkeit einer Kaiserschnittentbindung aufgeklärt werden.

Eine Dokumentation ist nicht mehr äußerlich unverdächtig, wenn auffällige Einschübe oder Nachträge vorliegen, die nicht hinreichend erklärt werden. Dass eine Hebamme ein Geburtsprotokoll weiterschreibt, während die Ärztin die Patientin untersucht und dabei ihre Untersuchungsergebnisse schriftlich niederlegt, erscheint wenig lebensnah. 

Bei erkennbaren Sprachschwierigkeiten der Mutter muss sich der aufklärende Arzt zumindest von der Plausibilität einer von einem Familienangehörigen geleisteten Übersetzung überzeugen. 

Eine milde Form der Erb'schen Lähmung, die sich vor allem in einer maßvollen globalen Kraftminderung (Kraftgrad 3-4 von 5) und einer leichten Fehlstellung des Glenohumeralgelenks mit der Folge einer begrenzten Außenrotation des Arms äußert, rechtfertigt ein Schmerzensgeld von 30.000 €.

Denkbare, aber völlig ungewisse zukünftige Entwicklungen (insbesondere durch pubertäre Wachstumsschübe), die auch zu einer deutlichen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes führen können, dies aber keineswegs müssen, sind als solche nicht „vorhersehbar“ und bei der Schmerzensgeldbemessung nicht zu berücksichtigen.

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 23.01.2019 – 5 U 69/16
https://goo.gl/C9HQeL

 

Durchgangsarzt muss Schmerzensgeld zahlen 

Ein Durchgangsarzt, der nach einem Arbeitsunfall mit Aufprall des Fußes auf der Erde zunächst nur ein Umknicktrauma diagnostiziert, muss jedenfalls dann, wenn er im Rahmen der selbst weitergeführten Behandlung von der Diabetes mellitus-Erkrankung des Patienten und einer darauf beruhenden Polyneuropathie erfährt, die Möglichkeit einer Mitbeteiligung von Fußknochen in Erwägung ziehen und röntgenologisch abklären. Ein entsprechendes Versäumnis stellt sich als Befunderhebungsmangel und nicht als Diagnosefehler dar. 

Für das Versäumnis hinreichender Diagnostik haftet nicht etwa ausschließlich die zuständige Berufsgenossenschaft, wenn der Durchgangsarzt neben der hoheitlichen Aufgabe, einen Arbeitsunfall und die Frage besonderer unfallversicherungsrechtlicher Maßnahmen zu klären, auch für die folgenden Wochen die weitere Patientenbehandlung übernommen hat, sodass sein Fehler dem Bereich privatrechtlichen Handelns zuzurechnen ist.

Die vollständige und endgültige Ausbildung eines Charcot-Fußes bei einem 48-jährigen Mann rechtfertigt ein Schmerzensgeld von 50.000 €. Nachgewiesen wurde hier, dass dem Patienten ein Behinderungsgrad von 60 zuerkannt worden ist, der maßgeblich mit der Polyarthropathie und der Ausbildung des Charcot-Fußes begründet wurde, und dass er wegen der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit nicht mehr in der Lage war, auf dem bisherigen Vollzeit-Arbeitsplatz als Gerätebediener tätig zu sein, sondern auf einen „Schonarbeitsplatz“ in Teilzeittätigkeit umgesetzt werden musste.

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 09.01.2019 – 5 U 13/17
https://goo.gl/Y9qwJk

 

Zahlungsklage nach ambulanter Krankenhausbehandlung abgewiesen

Vergütungsansprüche eines Arztes oder Krankenhauses gegen den Patienten können bei ambulanter Heilbehandlung im Wege der Klage nicht am Ort der Praxis bzw. des Krankenhauses geltend gemacht werden. Denn bei ambulanter Heilbehandlung ergibt sich kein einheitlicher Erfüllungsort am Ort des Krankenhauses bzw. der Praxis. Der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO ist nicht begründet. Vielmehr ist der allgemeine Gerichtsstand des Patienten (§§ 12 f. ZPO) ausschlaggebend. 

Amtsgericht Münster, Urteil vom 15.01.2019 – 48 C 3429/18
https://goo.gl/AVdqqN

 

Vertragsärzte nicht zur Übermittlung der AU-Bescheinigung verpflichtet

§ 5 Abs. 1 S. 5 EntgFG verpflichtet einen Arzt im Verhältnis zu einem Versicherten mit Krankengeld-Anspruch nicht außerhalb der für die Entgeltfortzahlung geltenden Regelungen zur Übersendung einer AU-Bescheinigung an die Krankenkasse. Das EntgFG regelt nur die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Verhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer; für die Rechte und Pflichten im Verhältnis des versicherten Arbeitnehmers zu seiner Kasse ist daraus nichts herzuleiten, weil die Voraussetzungen eines Krankengeld-Anspruchs allein im SGB V geregelt sind. 

Die Meldepflicht über eine Arbeitsunfähigkeit trifft also allein den Arbeitnehmer. Der Versicherte erhält vom behandelnden Arzt die AU-Bescheinigung und hat sie dann zeitgerecht der Krankenkasse vorzulegen. Aus § 295 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V, wonach Vertragsärzte verpflichtet sind, in dem Abschnitt der AU-Bescheinigung, den die Kasse erhält, bestimmte Daten aufzuzeichnen und zu übermitteln, folgt nichts anderes. Die Norm betrifft lediglich  die „Abrechnung ärztlicher Leistungen“. Auch aus den in der vertragsärztlichen Versorgung geltenden Vordruckvereinbarungen ist in diesem Zusammenhang zugunsten des Versicherten nichts herzuleiten.

Bundessozialgericht, Urteil vom 25.10.2018 – B 3 KR 23/17 R
https://goo.gl/8ptT1H 

Hinweis: Nach dem kürzlich beschlossenen TSVG (siehe dazu unten) sollen AU-Bescheinigungen allerdings ab 2021 digital vom behandelnden Arzt an die Krankenasse übermittelt werden.

 

Klinikdirektor mit Revision gegen Verurteilung erfolgreich 

Ein wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilte ärztliche Direktor eines Universitätsklinikums hat sich im Revisionsverfahren erfolgreich gegen seine Verurteilung zur Wehr gesetzt. Ihm wird vorgeworfen, einen wissenschaftlichen Mitarbeiter in großem Umfang in seiner in den Klinikräumen betriebenen Privatambulanz und damit für private Zwecke eingesetzt zu haben.

Das Landgericht hat das Verhalten des Direktors als Untreue in der Form des Treubruchstatbestandes (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) gewertet. Er habe aufgrund seiner tatsächlichen Entscheidungsgewalt über den Einsatz des Universitätsmitarbeiters eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Universität innegehabt und verletzt. Als Vermögensnachteil für die Universität hat das Gericht die Differenz zwischen dem auf den Einsatz des Mitarbeiters in der Privatambulanz entfallenden Teil seines Bruttogehalts und dem aus seinem Einsatz resultierenden, vom Direktor an die Klinik entrichteten Nutzungsentgelt angesehen. 

Der BGH hob das Urteil angesichts einer fehlenden Vermögensbetreuungspflicht auf. Zwar könne auch ein sog. „tatsächliches Treueverhältnis“ Grundlage einer solchen sein. Voraussetzung hierfür sei jedoch nicht allein die tatsächliche Verfügungsgewalt über ein bestimmtes Vermögen, sondern auch, dass damit ein tatsächliches Vertrauen des Treugebers in eine pflichtgemäße Wahrnehmung seiner Vermögensinteressen verbunden ist, es sich also um eine anvertraute faktische Machtstellung handelt. Dass dem angeklagten Arzt von den zuständigen Organen der Universität die faktisch bestehende Möglichkeit anvertraut war, über den Einsatz der Arbeitsleistung seines Mitarbeiters zu disponieren, sei aber nicht feststellbar; dies liege sogar eher fern.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.08.2018 – 3 StR 292/17
https://goo.gl/494NHe

 

Eizellen-Vermittlung: Ärzte nicht nach dem Embryonenschutzgesetz strafbar 

Drei Mediziner, die kinderlosen Paaren gefrorene Eizellen vermittelten, wurden wegen der missbräuchlichen Anwendung von Fortpflanzungstechniken (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG) angeklagt und freigesprochen. Der Norm zufolge wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt. Aufgrund eines unvermeidbaren Verbotsirrtums stellte das Amtsgericht kein vorsätzliches Handeln der Ärzte fest [AG Dillingen/Donau, Urteil vom 20.03.2018 – 306 Cs 202 Js 143548/17 (2)].

Das zuständige Landgericht hat die Berufung der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Ihm zufolge fehlt es bereits an der Verwirklichung des objektiven Tatbestands. Das Auftauen eingefrorener sog. 2-PN-Zellen (fertilisierte Eizellen mit zwei Vorkernen) mit dem Ziel, mit diesen Zellen die Schwangerschaft einer Frau herbeizuführen, von der die Eizellen nicht stammen, erfülle nicht den objektiven Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG. Bei diesen sog. 2-PN-Zellen sei zum Zeitpunkt des Auftauens die Befruchtung bereits vollendet, so dass zu diesem Zeitpunkt kein Unternehmen der künstlichen Befruchtung i.S.d. Tatbestands mehr möglich sei.

Ein Befruchten im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG beginne mit dem Eindringen bzw. Einbringen der Samenzelle in die Eizelle. Vollendet sei der Befruchtungsvorgang mit der regelrechten Ausbildung zweier Vorkerne, welche den einfachen Chromosomensatz von Mann und Frau (jeweils 23 Chromosomen) enthalten. Alles Weitere sei nicht mehr Befruchtung, sondern die natürliche Entwicklung nach vollendeter Befruchtung.

Landgericht Augsburg, Urteil vom 13.12.2018 – 16 Ns 202 Ja 143fi4a/14 u.a.
https://goo.gl/WgT68u

 

Irreführende Ärzte-Werbung mit Aussage "Kosten nach GOÄ" 

Die Werbeaussage „Kosten n. GOÄ“  ist irreführend, da hierdurch beim Verbraucher der Eindruck erweckt wird, es handle sich um einen Festpreis. Tatsächlich bestimmt sich der Preis gemäß GOÄ jedoch nach den individuellen Einzelumständen.

Auf der Internetseite faceshop.de wird für ärztliche Gesichtsbehandlungen geworben. In Bezug auf Lippenvergrößerungen hieß es dort: „Eingriffsdauer: 20 Min – Klinikaufenthalt: ambulant – Anästhesie: lokal – Nachbehandlung: ggf. kühlen – Sport: 1. Tag – Kosten n. GOÄ: 395 EUR“. Diesbezüglich erging eine Abmahnung eines Wettbewerbsvereins mit der Begründung, die Werbung verstoße gegen die GOÄ, weil sie einen Festpreis für Arztleistungen angebe.

Das Gericht stufte diese Werbung als unzulässig ein und gab der Beklagten auf, die Werbung zu unterlassen. Nach § 5 Abs. 2 S. 1 GOÄ sind Gebühren für ärztliche Leistungen unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Vorschrift sei eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG.

Die individuellen Umstände der Behandlung fänden bei der Werbung mit einer Festpreisangabe keine Berücksichtigung – und zwar auch dann nicht, wenn die angegebene Summe mit einem „ungefähr-Zeichen“ versehen wird. Die Werbeangabe „Kosten n.GOÄ: 395 €“ bzw. „Kosten n. GOÄ: ~395 €“ verschleiere gegenüber dem Verbraucher, dass die Abrechnung einer ärztlichen Leistung sich an den individuellen Einzelumständen des zu behandelnden Patienten und nicht an einem normaltypischen Fall eines Durchschnittspatienten auszurichten hat.

Landgericht Düsseldorf, Urteil von 12.12.2018 – 34 O 44/18
https://goo.gl/xiFSfR

 

Zur Anerkennung von Atemwegsbeschwerden als Berufskrankheit 

Möchte ein Arbeitnehmer seine Atemwegserkrankung wegen einer jahrelangen Belastung durch Tonerpartikel – wie zum Beispiel aus Laserdruckern und Kopiergeräten – am Arbeitsplatz als Berufskrankheit anerkennen lassen, muss er die berufliche Ursache der Krankheit mit einem arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest belegen. 

Der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung lehnte die Anerkennung der Berufskrankheit eines knapp vier Jahre als Vervielfältiger in einem Kopierraum tätigen Mannes ab. Der Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Atemwegserkrankung könne nicht belegt werden. 

Auch vor Gericht konnte der Mann die Anerkennung seiner Atemwegsbeschwerden als Berufskrankheit nicht durchsetzen. Hierfür hätte es der Durchführung eines arbeitsplatzbezogenen Inhalationstests mit dem Nachweis einer allergischen Reaktion bedurft, zu welcher der Versicherte sich nicht bereit zeigte.

Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 21.01.2019 – L 9 U 159/15
https://goo.gl/EtxNaj

 

Wunschbehandlungen ohne medizinischen Anlass sind umsatzsteuerpflichtig

Werden Leistungen eines Gesundheitszentrums unabhängig von einem medizinisch diagnostizierten Krankheitsbild erbracht, fehlt diesen Leistungen eine therapeutische Zweckbestimmung, so dass es sich nicht um steuerfreie Krankenhausbehandlungen (§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) oder ärztliche Heilbehandlungen (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL) handelt.

Die Leistungen des Gesundheitszentrums sind dann nicht automatisch von der Umsatzsteuer befreit. Begünstigt sind nur diagnostische Untersuchungen und darauf basierende Behandlungen. Wunschbehandlungen ohne medizinischen Anlass sind danach dagegen umsatzsteuerpflichtig.

In dem entschiedenen Fall konnten Kunden unabhängig von einem ärztlichen Befund selbst über die Dauer ihres Aufenthalts in dem Gesundheitszentrum entscheiden und bestimmte Leistungen zu einem „Festpreis“ buchen. Entsprechende „Aufenthaltspakete“ wurden in Katalogen, Zeitschriften und im Internet beworben und konnten auch online gebucht werden. Zu Beginn eines Aufenthalts erfolgte zwar eine ärztliche Untersuchung. Überprüft wurde dabei aber nur, ob gesundheitliche Einschränkungen gegen bestimmte Maßnahmen und Anwendungen sprachen. Entsprechend der Buchung und den Wünschen des Kunden wurde dann ein Terminplan erstellt. Ein ärztliches Abschlussgespräch war nur in einem Teil der „Leistungspakete“ vorgesehen. 

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.01.2019 –XI R 29/17
https://goo.gl/1apy6H

 

Darf ein Apotheker einer Impfstoffbestellung kostenlose „Serviceartikel“ beifügen? 

Bei einer Werbegabe im Wert von maximal 0,8 % des Warenwertes ist nach der Lebenserfahrung ein relevanter Einfluss auf das Verordnungs- und Abgabeverhalten von Ärzten ausgeschlossen. Die Zugabe von „Serviceartikeln“ durch eine Apotheke an einen Arzt im Zusammenhang mit der Bestellung von Impfstoffen stellt daher keine unzulässige Zuwendung dar. 

Ein Apotheker warb gegenüber Ärzten mit einem Katalog „Factbook Impfstoffe“. Der Katalog enthielt ein Bestellformular, mit dem der Arzt ab 100 Impfdosen neben den Impfstoffen unentgeltlich „Serviceartikel“/Applikationshilfen (Kanülen verschiedener Größe, Injektionspflaster, Alkoholtupfer, Kanülensammler) mitbestellen konnte. Der Apothekenverkaufspreis dieser Artikel lag zwischen 2,22 € und 3,22 €, ihr Gesamtwert bei rund 13,00 €. Für diese Werbung wurde der Apotheker abgemahnt. In dem sich anschließenden Rechtsstreit entschied das OLG zugunsten des Beklagten. Es sei kein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 3a UWG gegeben, weil weder ein Verstoß gegen die §§ 299a, 299b StGB noch eine Verletzung des § 7 HWG feststellbar sei.

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 07.12.2018 – 6 U 95/18
- Urteil bisher offenbar nicht veröffentlicht -

Hinweis: Der Kläger hat unter dem Az. I ZR 223/18 Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt.

 

Unzulässige Werbung mit Einkaufsgutscheinen für Rezepteinlösung 

Die Apothekerkammer Berlin verhängte Rügebescheide gegen einen Apotheker, der damit warb, Patienten einen 1 €-Wertgutschein zu gewähren, wenn sie ihr Rezept mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in seiner Apotheke einlösten. Das Berufsgericht belegte ihn mit einer Geldbuße in Höhe von 5.000 €. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beschuldigten hatte Erfolg. Das OVG befand, er habe nicht vorsätzlich gehandelt. 

Das Gericht sah aber eine Verletzung der Berufspflicht des Apothekers aus § 3, § 14 Abs. 1 S. 1, S. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 der Berufsordnung der Apothekerkammer Berlin, die arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften einzuhalten, gegeben. Gegen diese Pflicht verstoße ein Apotheker auch dann, wenn er Patienten bei Zahlung des vorgeschriebenen Apothekenabgabepreises für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel einen Wertgutschein als Gegenleistung für die Einlösung eines Rezepts überlässt. Eine entsprechende Berufspflichtverletzung liege dabei nicht erst dann vor, wenn der Apotheker mit seinem Verhalten eine nach den Maßstäben des § 3 Abs. 1 UWG zu bestimmende „Bagatellgrenze“ überschreitet oder eine konkrete Gefährdung für andere Apotheken besteht. 

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.09.2018 – 90 H 2.13
https://goo.gl/YNVM8J

 

 

2. Aktuelles

 

TSVG verabschiedet 

Der Deutsche Bundestag hat am 14.03.2019 das „Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung“ (Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG) beschlossen. 

Das Gesetz soll vor allem die Terminvergabe vereinfachen und beschleunigen. Dazu sollen unter anderem die Terminservicestellen ausgebaut werden und ab Januar 2020 bundesweit unter der Telefonnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 erreichbar sein. Die Servicestellen sollen künftig auch Termine für Haus- und Kinderärzte vermitteln. 

Niedergelassene Ärzte müssen Patienten künftig im Umfang von mindestens 25 Sprechstunden pro Woche zur Verfügung stehen. Fachärzte der grundversorgenden und wohnortnahen Versorgung (zum Beispiel konservativ tätige Augenärzte, Frauenärzte, HNO-Ärzte) sind verpflichtet, ab August 2019 fünf offene Sprechstunden pro Woche anzubieten. Die Behandlung der Patienten in diesen Sprechstunden wird extrabudgetär in voller Höhe bezahlt. Dies gilt auch für alle Behandlungsfälle, die über die Terminservicestellen vermittelt werden. Auf die Versicherten- und Grundpauschale gibt es künftig Zuschläge von bis zu 50 Prozent.

Dagegen soll der Einfluss reiner Kapitalinvestoren auf MVZ beschränkt werden. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen dürfen künftig nur fachbezogene MVZ gründen. Auch die Gründungsbefugnis für zahnmedizinische Versorgungszentren durch Krankenhäuser wird eingeschränkt; sie ist künftig von der Über-/Unterschreitung des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades in einem Planungsbereich und dem Versorgungsanteil der dort von einem Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen MVZ abhängig.

In unterversorgten Gebieten müssen die KVen künftig eigene Praxen eröffnen oder Versorgungsalternativen anbieten. Die Krankenkassen werden verpflichtet, den Versicherten spätestens ab 2021 elektronische Patientenakten anzubieten.

Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschlusses mit beschlossener Gesetzesfassung:
https://goo.gl/H7ZoFv

 

§ 219a StGB: Bundesrat billigt Neufassung

Der Bundesrat hat die vom Bundestag beschlossene Änderung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche in § 219a StGB durch das „Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ am 15.03.2019 gebilligt. Die Gesetzesänderung tritt nach Unterzeichnung des Bundespräsidenten und Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen dürfen dann künftig öffentlich darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Auch der Hinweis auf weitere Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen von neutralen Stellen wie beispielsweise der Ärztekammer ist erlaubt. Weitere Informationen zu Methoden dürfen Ärzte aber nicht geben; sie machen sich sonst weiterhin nach § 219a StGB strafbar.

Zulässig sind Hinweise über angewandte Methoden auf einer zentralen, von der Bundesärztekammer geführten und monatlich aktualisierten Internet-Liste, die auch die Namen solcher Ärzte enthalten wird, welche Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Darüber hinaus sieht der Gesetzesbeschluss vor, dass Krankenkassen die Kosten für die Verhütungspille zwei Jahre länger als bisher, also bis zum 22. Lebensjahr, übernehmen.

Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags vom 22.02.2019:
https://goo.gl/5QJ7bJ

 

Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme zusammengeführt 

Der G-BA regelt die Anforderungen an die Ausgestaltung von strukturierten Behandlungsprogrammen nunmehr zusammengefasst in der DMP-Anforderungen-Richtlinie. Mit den Beschlüssen des G-BA zu den Anforderungen an das DMP COPD vom 21.07.2016 (in Kraft seit 01.01.2017), das DMP Brustkrebs vom 20.04.2017 (in Kraft seit 01.10.2017) und das DMP Asthma vom 17.11.2017 (in Kraft seit 01.04.2018) wurden die inhaltlichen Bestandteile der DMP-Richtlinie vollständig in die DMP-Anforderungen-Richtlinie überführt. Die DMP-Aufbewahrungsfristen-Richtlinie ist zum 31.12.2018 außer Kraft getreten; die DMP-Richtlinie tritt am 01.04.2019 außer Kraft.

DMP-Anforderungen-Richtlinie samt Anlagen und weitere Informationen:
https://goo.gl/2iy5JV

 

Impfung gegen Gürtelrose wird Kassenleistung 

Die Impfung gegen Herpes zoster (Gürtelrose) wird künftig für alle Personen ab einem Alter von 60 Jahren sowie für Personen mit einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung ab einem Alter von 50 Jahren Pflichtleistung aller gesetzlichen Krankenkassen. Der G-BA hat am 07.03.2019 beschlossen, die Schutzimpfungs-Richtlinie (SI-RL) an die entsprechende Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) anzupassen.

Beschluss und tragende Gründe:
https://goo.gl/fZRp4D

 


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