2018-07


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

anliegend übersenden wir Ihnen den Newsletter 2018-07.

 

Keine Gynäkologen-Haftung für ungewollte Schwangerschaft 

Ein Gynäkologe haftet nicht für eine ungewollte Schwangerschaft, wenn eine 45 Jahre alte Frau trotz des Hinweises des Arztes auf die begrenzte Aussagekraft des Anti-Müller-Hormon-Wertes (AMH-Wertes) die notwendige weitere Verhütung unterlässt.

Die Klägerin begehrte die Bestimmung des AMH-Wertes. Als sie einige Wochen nach dem Testgespräch erfuhr, dass ihr Wert unter 0,1 liege, entschloss sie sich, die Antibabypille abzusetzen. Eine andere Art der Empfängnisverhütung unterließ sie und wurde in der Folgezeit – ungewollt – schwanger. Für die aus Sicht der Klägerin behandlungsfehlerhaft eingetretene Schwangerschaft verlangte sie erfolglos ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € und Ersatz von Unterhaltsschäden bis zur Volljährigkeit des Kindes.

Die Gerichte stellten keine Fehlinformation der Klägerin über die Aussagekraft des AMH-Wertes fest. Sie sei ausweislich der Behandlungsunterlagen auf die Unsicherheit des Tests und die Notwendigkeit weiterer Verhütung hingewiesen worden. Ihre Aufklärung sei ausreichend gewesen. Die Entscheidung, ob sie weiterhin Verhütung betreiben wolle, habe allein der Klägerin oblegen. Es sei ihre Sache gewesen, dem behandelnden Gynäkologen von sich aus ggf. weitere Fragen zu stellen.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23.02.2018 – 26 U 91/17
https://goo.gl/bqRG6f 

Hinweis: Die Klägerin hat Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt (Az. VI ZR 153/18).

 

Zum Beweis des Inhalts eines Aufklärungsgesprächs

Der Inhalt eines streitigen Aufklärungsgesprächs kann niemals ausschließlich durch Bezugnahme auf einen Aufklärungsbogen festgestellt werden. Es bedarf vielmehr der Vernehmung der zum Gesprächshergang benannten Zeugen.

Kammergericht Berlin, Urteil vom 12.03.2018 – 20 U 127/16
https://goo.gl/SyPdbq

 

Keine Patienten-Zwangszuweisung durch Kassenärztliche Vereinigungen

Das Thüringer Landessozialgericht hat entschieden, dass die KV Thüringen Ärzten keine Patienten zwangszuweisen darf. Die KV hatte einem Augenarzt im Jahr 2014 Patienten zur Behandlung zugewiesen, die zuvor vergeblich versucht hatten, in dieser oder einer anderen Praxis einen Termin zu bekommen. Gegen die Zwangszuweisung klagte der Arzt erfolgreich. 

Nach Auffassung des LSG kann der Praxisinhaber durch die KV nicht zur Duldung der Zuweisung von Patienten an seine angestellte Ärztin verpflichtet werden. Für die Zuweisung fehle es generell an einer Rechtsgrundlage; eine solche sei weder in der KV-Satzung noch im SGB V zu finden.  

Die Revision zum BSG wurde nicht zugelassen. 

Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 06.06.2018 – L 11 KA 1312/17
- Urteil offenbar bisher nicht veröffentlicht -

 

Keine Anstellung einer Neurochirurgin im Sonderbedarf

Die Klage einer MVZ-GmbH auf die Genehmigung der Anstellung einer Ärztin im Rahmen eines Sonderbedarfs für das Fachgebiet Neurochirurgie ist in Ermangelung eines qualifikationsbezogenen oder lokalen Sonderbedarfs ohne Erfolg geblieben.

Das Gericht ist der Auffassung, dass sich die Änderung der Grundstrukturen der Bedarfsplanung auch auf die Frage auswirken muss, welche Entfernungen Versicherten zuzumuten sind, um Versorgungsangebote wahrnehmen zu können. Es wird geboten sein, im Einzelfall je nach Fachgebiet die bisherige Rechtsprechung zu modifizieren, nach der nur bei allgemeinen ärztlichen Leistungen Versorgungsangebote nicht berücksichtigt bleiben, die mehr als 25 km entfernt sind. Bei speziellen Versorgungsangeboten sind größere Entfernungen zumutbar.

Hierfür spricht bereits der Umstand, dass die Fachgruppe der Neurochirurgen gemäß § 14 BP-Rl neuerdings der gesonderten fachärztlichen Versorgung zugeordnet und großräumig beplant wurde.

Andererseits gilt auch für die gesonderte fachärztliche Versorgung prinzipiell der Grundsatz der wohnortnahen Versorgung. Denn in § 26 Abs. 4 Nr. 3 Spiegelstrich Nr. 6 BP-Rl wird als eines der geltenden Auswahlkriterien die „bestmögliche Versorgung der Versicherten“ genannt. Es ist folglich zumindest indirekt eine möglichst flächendeckende und wohnortnahe Versorgung bei gleichmäßiger Verteilung der Vertragsarztsitze anzustreben.

Vorstellbar wäre grundsätzlich eine Abstaffelung, was die „Zumutbarkeit“ angeht, nach den Versorgungsebenen hausärztliche Versorgung (zumutbar: maximal 25 km), allgemeine fachärztliche Versorgung (zumutbar: maximal 50 km), spezialisierte fachärztliche Versorgung (zumutbar: maximal 75 km) und gesonderte fachärztliche Versorgung (zumutbar: maximal 100 km). Es wird jedoch gerade bei den Versorgungsebenen mit großen Planungsbereichen je nach Fachgruppe nach der Anzahl der Patientenkontakte zu differenzieren sein. Auch die Fahrtzeiten gilt es zu berücksichtigen. Ausnahmsweise kann die Berücksichtigung von Versorgungsangeboten in anderen Planungsbereichen geboten sein. 

Sozialgericht München, Urteil vom 12.04.2018 – S 38 KA 341/16
https://goo.gl/3sZT57

 

Psychotherapie: Schiedsspruch zu Terminservicestellen rechtlich nicht zu beanstanden

Der Schiedsspruch des Bundesschiedsamts vom 07.11.2017 zum Umfang der Vermittlungstätigkeit der Terminservicestelle im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung verstößt nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen.

Nach dem Beschluss des G-BA zur Psychotherapie-Richtlinie soll sich gemäß § 75 Abs. 1a S. 13 SGB V die Zuständigkeit der Terminservicestellen auf die Vermittlung eines Termins für ein Erstgespräch im Rahmen der psychotherapeutischen Sprechstunden und der sich aus der Abklärung ergebenden zeitnah erforderlichen Behandlungstermine beziehen. Damit darf deren Zuständigkeit von Gesetzes wegen auf alle Behandlungstermine ausgedehnt werden, die sich als zeitnah erforderlich aus der Abklärung ergeben – also auch auf probatorische Sitzungen, weil diese nach § 12 Psychotherapie-Richtlinie der Einleitung einer ambulanten Psychotherapie dienen, sowie auf die eigentliche Richtlinien-Psychotherapie selbst.

Sinn und Zweck der Terminservicestellen ist es, den Patienten möglichst schnell zu einem passenden Arzt zu vermitteln. Damit ist ein erneuter Vermittlungsversuch geboten, wenn der erste Versuch aus persönlichen Gründen gescheitert ist.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.05.2018 – L 24 KA 67/17 ER
https://goo.gl/Ld3gAV

 

BGH bestätigt Entgeltbegrenzung für Privatkliniken an Krankenhäusern

Nach § 17 Abs. 1 S. 5 KHG ist eine mit einem Plankrankenhaus räumlich und organisatorisch verbundene Privatklinik für allgemeine, dem Versorgungsauftrag des Plankrankenhauses entsprechende Krankenhausleistungen an die Entgeltobergrenzen gebunden, die sich aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz und dem Krankenhausentgeltgesetz ("DRG-Fallpauschalensystem") sowie der Bundespflegesatzverordnung ergeben. Bei § 17 Abs. 1 S. 5 KHG handelt es sich um ein verfassungsrechtlich nicht zu beanstandendes Verbotsgesetz nach § 134 BGB in Form einer Preisobergrenze. Wird gegen eine solche Preisbestimmung verstoßen, führt dies nicht zur Nichtigkeit der zugrunde liegenden Vereinbarung, sondern dazu, dass der Vertrag mit dem zulässigen Preis aufrechterhalten bleibt. Die Begrenzung der Entgelthöhe für „verbundene“ Privatkliniken erfasst auch den Fall, dass zunächst eine Privatklinik betrieben wurde, aus der sich eine weitere Klinik entwickelte, für die dann eine Zulassung nach § 108 SGB V erfolgte. 

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.05.2018 – III ZR 195/17
https://goo.gl/wb6293

 

GOP Nr. 27320 EBM nicht neben GOP Nr. 01210 ansetzungsfähig

In den Ambulanzen zweier Plankrankenhäuser der Regelversorgung ließen sich gesetzlich Versicherte in Notfällen ambulant behandeln. Die Honorare für diese Notfallbehandlungen wurden von der KV nach Maßgabe der für Vertragsärzte geltenden Abrechnungsbestimmungen vergütet.

Aufgrund einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung kam es zum Streit darüber, ob in den Notfallbehandlungsfällen neben der Notfallpauschale gemäß GOP Nr. 01210 bei Erbringung einer elektrokardiographischen Untersuchung mit mindestens zwölf Ableitungen (bzw. Kanälen) zusätzlich die GOP Nr. 27320 angesetzt werden durfte. 

KV und Gerichte verneinten diese Frage aufgrund von Ziffer I Nr. 2.1.3 Abs. 2 der Allgemeinen EBM-Bestimmungen, nach der eine GOP nicht berechnungsfähig ist, wenn deren obligate und – sofern vorhanden – fakultative Leistungsinhalte vollständig Bestandteil einer anderen berechneten GOP sind. Leistungen des fakultativen Leistungsinhalts, die im Einzelfall medizinisch notwendig waren, waren demnach nicht als Teilleistung gesondert abrechenbar. Die elektrokardiographischen Untersuchungen mit zwölf Ableitungen waren in den streitigen Behandlungsfällen fakultativer Leistungsinhalt der durch die Notfallpauschalen gemäß GOP Nr. 01210 vergüteten Leistungen.

Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.04.2018 – L 1 KA 22/14
https://goo.gl/BcH3Dq

 

Krankenhaus kann Erstattung von Operationskosten verlangen

Ein Plankrankenhaus versorgte eine Patientin wegen Gonarthrose mit einer Knie-Totalendoprothese (Knie-TEP). Die Krankenkasse beglich die Rechnung in Höhe von rund 7.500 € – zu unrecht – nicht. Denn die durchgeführte Operation war vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst. Der Feststellungsbescheid über die Aufnahme des Krankenhauses in den Landeskrankenhausplan weist 43 Betten für das Gebiet „Chirurgie“ aus. Die der Planung zugrunde liegenden Gebiete und Schwerpunkte (Teilgebiete) orientieren sich an den Weiterbildungsordnungen für Ärzte der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe (WBO), die im Zeitpunkt der Leistungserbringung galten. Diese fassen unter dem Gebiet "Chirurgie" unter anderem die Fachgebiete Orthopädie und Unfallchirurgie zusammen.

Bundessozialgericht, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 32/17 R
- offenbar bisher nicht veröffentlicht -

 

Zum Vergütungsanspruch eines angestellten Arztes für Rufbereitschaft

Die Auslegung der Anlage 30 AVR-Caritas ergibt, dass ein angestellter Arzt für die Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft an einem Feiertag, der auf einen Werktag fällt, auch für Zeiten, die außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit liegen, einen Vergütungsanspruch in Höhe von 235 % seines Stundenlohns hat. Der Anspruch folgt aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 7 Abs. 3 Satz 4 und 5 und § 7 Satz 1 und Satz 2 a) und d) Anlage 30 AVR. Er besteht unabhängig von der Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt gewesen wäre, für diese Zeiten Freizeitausgleich zu gewähren. 

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 18.04.2018 – 5 Sa 216/17
https://goo.gl/aVPHGM

 

Bereitschaftsdienst im Krankenhaus ist regelmäßig abhängige Beschäftigung

Auch freiberuflich tätige Honorarärzte können in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Entscheidungserheblich sind die konkreten Vereinbarungen im Einzelfall sowie die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses.

In dem Vertrag einer Ärztin war vorgesehen, dass sie in bestimmten Zeiträumen für die Abteilung der Inneren Medizin eines Krankenhauses Dienste zu einem festen Stundenhonorar („brutto für netto“) übernehmen würde. Bereitschaftsdienste wurden ihr mit 90 % des Stundenhonorars vergütet. Die Ärztin war über das Krankenhaus haftpflichtversichert. 

Das LSG sah die Klägerin abhängig beschäftigt. Sie sei gegenüber dem Personal weisungsberechtigt und dem Chefarzt oder den Oberärzten gegenüber weisungsgebunden. Sie behandele nur die vom Krankenhaus stationär aufgenommenen Patienten, aber keine eigenen. Die Arbeitszeiten seien vorab festgelegt. Sie trage kein unternehmerisches Risiko und sei in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingebunden. Die Unterkunft werde ihr ebenso wie die Mitarbeiterverpflegung unentgeltlich zur Verfügung gestellt, wie auch die Berufshaftpflichtversicherung über das Krankenhaus. Angesichts dessen sei die Ärztin nicht als selbständige Ärztin zu betrachten.

Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.03.2018 – 11 7 R 5059/17
- Urteil offenbar bisher nicht veröffentlicht -

 

Vorsicht bei Werbeaussagen zur Wirksamkeit der Craniosakralen Osteopathie

Werbung mit Wirkungsaussagen für medizinische Behandlungsmethoden ist zulässig, solange nicht dargelegt wird, dass die Behauptung wissenschaftlich umstritten ist oder ihr jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage fehlt. Ist die Wirkaussage umstritten, muss der Werbende nachweisen, dass die Aussage zutreffend und die wissenschaftliche Absicherung des Wirkungsversprechens bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert ist. Für die Behandlungsmethode der Craniosakralen Osteopathie fehlt es bisher an einem derartigen Wirkungsnachweis.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.06.2018,.– 6 U 74/17
https://goo.gl/5XDZgJ

 

Unzulässige Rezeptsammlung im Supermarkt 

Eine Apothekerin darf keine Box zum Sammeln von Rezepten in einem nahe ihrer Apotheke gelegenen Supermarkt aufstellen, um die bestellten Arzneimittel den Kunden durch einen Botendienst nach Hause zu liefern. Die Gerichte wiesen ihre Klage gegen eine entsprechende städtische Untersagung ab.

Es sei zwischen der Abgabe von Arzneimitteln unmittelbar an Kunden in Präsenzapotheken und dem Versand von Arzneimitteln zu unterscheiden. Andere Abgabemöglichkeiten sehe der Gesetzgeber nicht vor. Die Sammelvorrichtung in dem Supermarkt sei nicht ausnahmsweise zulässig, weil die Rezeptsammlung nicht zur Versorgung eines abgelegenen Ortsteils erforderlich sei. Sie sei im Übrigen auch nicht von der der Apothekerin erteilten Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln umfasst, weil sich das praktizierte Vertriebskonzept unter den konkreten Umständen des Falls wegen der engen räumlichen Bindung an die Präsenzapotheke nicht als Versandhandel darstelle. Denn das Bestellsystem der Klägerin richte sich zielgerichtet und nahezu ausschließlich an Kunden des Supermarkts bzw. Einwohner der Stadt Herne, die dem räumlichen Einzugsgebiet der Präsenzapotheke zugeordnet werden könnten.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.07.2018 – 13 A 2289/16
https://goo.gl/5NiGnK

 

Keine Retaxierung nach Fertigspritzenverkauf

Eine Apothekeninhaberin gab auf fachärztliche Verordnung zehnmal das Arzneimittel Oxybutynin® 0,1% à 10 ml zur Injektion an eine gesetzlich krankenversicherte Kundin ab. Dabei handelte es sich um Fertigspritzeninstillationssets, die nach damaligem Arzneimittelrecht als sog. Rezepturarzneimittel bereits einige Jahre lang im Verkehr waren. In der Folge kürzte die Krankenversicherung der Kundin im Rahmen mit Verweis auf den Arzneilieferungsvertrag (ALV) sowie auf den Rahmenvertrag nach § 129 SGB V das Honorar der Apothekerin um knapp 10.000 €. Das Arzneimittel sei in Deutschland nicht zugelassen gewesen.

Die Apothekerin klagte gegen die Retaxierung. Das LSG sprach ihr einen Anspruch auf Vergütung der abgegebenen Fertigspritzen-Sets zu. Eine Retaxierung habe nicht erfolgen dürfen. Für die streitgegenständlichen Belieferungen mit den Spritzen-Sets lagen in allen Fällen ordnungsgemäße ärztliche Verordnungen vor. Die Versicherte erhielt die Mittel jeweils im Einklang mit diesen Verordnungen. Zwar seien eine Reihe von Fertigarzneimitteln grundsätzlich von der Belieferung zu Lasten der Ersatzkassen ausgenommen. Die streitigen Fertigspritzen seien jedoch nicht in der Lauer-Taxe als nicht abgabefähiges Produkt gekennzeichnet gewesen. Für die Apotheke war damit der von der Versicherung angenommene Verordnungsausschluss nicht zu erkennen.

Über den Zulassungsantrag des Herstellers für die Spritzen war zur Zeit der Abgabe noch nicht entschieden. Daher galt dem Gericht zufolge eine Zulassungsfiktion. Denn gemäß § 141 Abs. 4 AMG dürfen Fertigarzneimittel, die sich im Verkehr befanden und nach dem 6.9.2005 erstmalig der Zulassungspflicht unterliegen, weiter in den Verkehr gebracht werden, wenn für sie bis zum 1.9.2008 ein Antrag auf Zulassung gestellt wurde – was in Bezug auf die Fertigspritzen der Fall war.

Wie das Gericht betonte, sind Apotheken nicht zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit eines verordneten Mittels verpflichtet. Dies gelte grundsätzlich selbst für gefälschte Verordnungen oder Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern. Diese seien nur dann nicht belieferungsfähig, wenn die Apotheke die Fälschung oder den Missbrauch erkenne oder habe erkennen müssen.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.02.2018 – L 1 KR 365/16
https://goo.gl/KD1n2s

 

 

2. Aktuelles

 

Entwurf eines Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) veröffentlicht

Das Bundesgesundheitsministerium hat den ersten Entwurf eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG) vorgelegt.

Der Entwurf verspricht wichtige Änderungen. So sollen Vertragsärzte statt bisher 20 künftig mindestens 25 Sprechstunden pro Woche anbieten. Die Vermittlung eines Facharzt-Termins durch einen Hausarzt, die Behandlung von durch Terminservicestellen vermittelte Patienten und andere Zusatzleistungen sollen durch extrabudgetäre Vergütung oder erhöhte Bewertung belohnt werden; Hausarztbesuche sollen zudem als Praxisbesonderheit anerkannt werden. Obligatorische regionale Zuschläge für Landärzte sollen eingeführt und die KVen verpflichtet werden, in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebieten eigene Praxen oder Versorgungs-Alternativen (Patientenbusse, mobile Praxen, digitale Sprechstunden) anzubieten. Krankenkassen sollen ihren Versicherten spätestens ab 2021 eine elektronische Patientenakte zur Verfügung stellen, auf die ein mobiler Zugriff mittels Smartphone oder Tablet möglich sein soll. MVZ-Angestellten soll es künftig möglich sein, die Anteile eines aus dem MVZ ausscheidenden originären Gründers zu übernehmen.

Zum Referentenentwurf:
https://goo.gl/SkoYg8

 

Ausweitung des Anwendungsbereichs der PET bzw. PET/CT 

Der G-BA hat den Einsatz der Positronenemissionstomographie (PET)/Computertomographie (CT) zur Unterstützung von Therapieentscheidungen bei bestimmten malignen Lymphomen (Krebserkrankungen des lymphatischen Systems) als Leistung der GKV in der ambulanten Versorgung ermöglicht und für die Behandlung im Krankenhaus bestätigt. Die Beschlüsse zur Änderung der Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung und der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung vom 17.05.2018 sind am 08.08.2018 in Kraft getreten.

Die PET bzw. PET/CT kann sowohl im Krankenhaus als auch in der vertragsärztlichen Versorgung künftig zum Interim-Staging (Stadienzuordnung nach Vorbehandlung) bei fortgeschrittenen Hodgkin-Lymphomen und bei malignen Lymphomen bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden. In Bezug auf das Interim-Staging bei aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen hat der G-BA die Aussetzung der Bewertungsverfahren des G-BA in Erwartung noch ausstehender Studienergebnisse bis zum 31.12.2021 verlängert. Während der Aussetzung gelten die hierfür im Jahr 2010 bereits beschlossenen Qualitätssicherungsvorgaben fort.

Beschlüsse und tragende Gründe:
https://goo.gl/EJeUc9
https://goo.gl/jNJEiF
https://goo.gl/ecwmBe

  

Neu: RL für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme 

Der G-BA hat eine neue Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme beschlossen und als erstes Programm Details zum Darmkrebs-Screening festgelegt. Männer haben künftig bereits ab 50 Jahren Anspruch auf eine Koloskopie. Regelungen zur Früherkennung des Zervixkarzinoms sollen folgen. Ziel ist es, die Teilnahmeraten bei Früherkennungsuntersuchungen zu erhöhen. 

Der Beschluss wird dem BMG zur Prüfung vorgelegt und tritt nach erfolgter Nichtbeanstandung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft. Das organisierte Screening-Programm Darmkrebs steht Versicherten aber erst dann zur Verfügung, wenn der Bewertungsausschuss über die Höhe der Vergütung im EBM entschieden hat, was binnen sechs Monaten geschehen soll. Eine Übergangsregelung stellt sicher, dass bisherige Leistungen zur Früherkennung von Darmkrebs gemäß der jetzigen Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (KFE-RL) solange gelten, bis eine Anpassung des EBM für ärztliche Leistungen an die Inhalte der neuen Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme (oKFE-RL) erfolgt ist.

Beschlusstext und tragende Gründe:
https://goo.gl/xxBnwF

 

DSGVO ist Marktverhaltensregelung im Sinne des UWG

Das LG Darmstadt hat unter Rückgriff auf die neuen Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine einstweilige Verfügung erlassen, die auf das Unterlassen von unzulässiger Werbung durch eine Wettbewerberin gerichtet ist. Es stellte einen Verstoß gegen Datenschutzrecht durch die unberechtigte Verwendung personenbezogener Kundendaten zu Werbezwecken und einen daraus resultierenden Anspruch der Antragstellerin auf Unterlassung gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 3a UWG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. b), Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 DSGVO fest. Folglich ging das Gericht davon aus, dass die DSGVO Marktverhaltensregelungen beinhaltet und somit auch über das Wettbewerbsrecht Wirkung entfaltet.

Landgericht Darmstadt, Beschluss vom 11.07.2018 – 23 O 129/15
https://goo.gl/bPSKhw

 

 

3. Sonstiges

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Schriftliche Bewerbungen richten Sie bitte unter Angabe Ihres möglichen Eintrittstermins an die

Kanzlei am Ärztehaus
– persönlich/vertraulich –
RA, FA für MedR Michael Frehse
Dorpatweg 10
48159 Münster 

m.frehse@kanzlei-am-aerztehaus.de

 

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Impressum

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