L 1 KA 22/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KA 127/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KA 22/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Vertragsarztangelegenheiten
Honorar
sachlich-rechnerische Richtigstellung
gesonderte Abrechenbarkeit von zum fakultativen Leistungsinhalt der Notfallpauschale (GOP Nr. 01210 EBM) gehörenden Leistungen
hier Elektrokardiographische Untersuchung (GOP Nr. 27320)
Die GOP Nr. 27320 EBM war aufgrund Ziffer I Nr. 2.1.3 Abs. 2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM nicht neben der GOP Nr. 01210 EBM abrechenbar, da auch die Elektrokardiographische Untersuchung mit mindestens zwölf Ableitungen aufgrund des Verweises in der Leistungslegende auf Anhang 1, Spalte GP des EBM zum fakultativen Leistungsinhalt der GOP Nr. 01210 EBM gehörte.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 2. September 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 871,36 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob in den Honorarbescheiden für das Quartal III/2013 die Ansätze gemäß Gebührenordnungsposition (GOP) Nr. 27320 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für das betreffende Quartal (EBM) abgesetzt werden mussten, wenn für einen Behandlungsfall die Notfallpauschale gemäß GOP Nr. 01210 angesetzt war.

Die Klägerin betreibt in Y ... und A ... zwei (Plan-) Krankenhäuser der Regelversorgung. In den dort im Jahr 2013 eingerichteten Notfallambulanzen konnten sich gesetzlich Versicherte in Notfällen ambulant behandeln lassen. Die Honorare für diese Notfallbehandlungen wurden von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung nach Maßgabe der für Vertragsärzte geltenden Abrechnungsbestimmungen vergütet.

In den beiden Honorarbescheiden für das Quartal III/2013 vom 27. Januar 2014, in denen die Leistungen der Notfallambulanzen der vorgenannten Krankenhäuser der Klägerin ab gerechnet waren, setzte die Beklagte im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung u.a. alle Ansätze der GOP Nr. 27320 (Elektrokardiographische Untersuchung) ab, soweit sie in einem Behandlungsfall neben der Notfallpauschale gemäß GOP Nr. 01210 angesetzt worden waren. Außerdem strich sie die Zusatzpauschalen gemäß GOP Nr. 01211, 01215, 01217 und 01219 für das Vorhalten einer Besuchsbereitschaft im Notfalldienst.

Am 18. Februar 2014 erhob die Klägerin Widerspruch gegen diese Honorarbescheide. Die Absetzung der Ansätze gemäß GOP Nr. 27320 sei zu Unrecht erfolgt. Zwar sei nach Ziffer I Nr. 2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM eine GOP nicht berechnungsfähig, wenn deren fakultativer Leistungsinhalt Bestandteil einer anderen GOP gewesen sei. Die Leistung gemäß GOP Nr. 27320 sei jedoch – anders als die Leistung gemäß GOP Nr. 27310 – nicht fakultativer Leistungsinhalt der Notfallpauschale gemäß GOP Nr. 01210 gewesen. Denn gemäß Nr. 1 der Präambel zu Anhang 1 des EBM seien die im Anhang 1 genannten Leistungen nur dann nicht eigenständig berechnungsfähig, wenn hierfür nicht eine gesonderte GOP verzeichnet gewesen sei. Für die elektrokardiographische Untersuchung mit mindestens zwölf Ableitungen sei jedoch ausdrücklich die GOP Nr. 27320 verzeichnet gewesen. Unter Anhang 1 fielen demnach nur elektrokardiographische Untersuchungen mit weniger als zwölf Ableitungen. Im Übrigen verstoße die Streichung der Zusatzpauschalen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Beklagte gab den Widersprüchen der Klägerin mit gleichlautenden Widerspruchsbescheiden vom 9. April 2014 statt, soweit eine Neubescheidung hinsichtlich der Zusatzpauschalen begehrt worden war; insofern seien die Widersprüche aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Dezember 2012 – B 6 KA 3/12 R – begründet; eine Neubescheidung bzw. Neuberechnung könne jedoch erst nach Erlass einer rückwirkenden Neuregelung des Bewertungsausschusses zu Notfallvergütungen erfolgen. Soweit sich die Klägerin im Übrigen gegen die Absetzung der Ansätze gemäß GOP Nr. 27320 gewendet habe, seien die Widersprüche zurückzuweisen. Neben der Notfallpauschale gemäß GOP Nr. 01210 seien Leistungen aus dem 27. Kapitel des EBM nicht abrechenbar; bei elektrokardiographischen Untersuchungen folge dies aus dem Verweis in der Leistungslegende der GOP Nr. 01210 auf den Anhang 1 des EBM.

Am 29. April 2014 hat die Klägerin gegen die Honorarbescheide vom 27. Januar 2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. April 2014 Klagen zum Sozialgericht Dresden (SG) erhoben, die das SG mit Beschluss vom 8. August 2014 miteinander verbunden hat. Die Klägerin hat nochmals geltend gemacht, dass die GOP Nr. 27320 aufgrund der Ausnahme in Nr. 1 der Präambel zu Anhang 1 des EBM im gleichen Behandlungsfall neben der Notfallpauschale gemäß GOP Nr. 01210 abrechenbar sei. Insbesondere könne gegen die Auffassung der Klägerin nicht vorgebracht werden, dass die elektrokardiographische Untersuchung in jeder Grundpauschale enthalten sei; wäre dies der Fall, wäre die GOP Nr. 27320 nie abrechenbar. Des Weiteren sei nach wie vor die Nichtvergütung der Zusatzpauschalen gemäß GOP Nr. 01211 ff. zu beanstanden.

Die Beklagte hat eingewandt, dass die GOP Nr. 27320 in den streitigen Fällen nicht neben der GOP Nr. 01012 habe abgerechnet werden dürfen, da vorrangig der Ausschluss gemäß Ziffer I Nr. 2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM gegolten habe.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. September 2014 abgewiesen. Soweit sich die Klägerin noch gegen die Streichung der Zusatzpauschalen wende, sei die Klage unzulässig, da die Beklagte den Widersprüchen der Klägerin insoweit stattgegeben habe; mehr als die bereits im Widerspruchsverfahren zugesagte Neubescheidung könne die Klägerin auch im gerichtlichen Verfahren nicht erreichen. Hinsichtlich der beanstandeten Absetzung der Ansätze gemäß GOP Nr. 27320 sei die Klage unbegründet. Die elektrokardiographische Untersuchung sei in Spalte GP des Anhangs 1 zum EBM ausdrücklich aufgeführt und damit nach der Leistungslegende zur GOP Nr. 01210 fakultativer Leistungsinhalt der Notfallpauschale. Eine Abrechnung der GOP Nr. 27320 neben der GOP 01210 sei daher nach Ziffer I Nr. 2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM nicht möglich. Insbesondere differenziere der Anhang 1 nicht zwischen der Zahl der Ableitungen der elektrokardiographischen Untersuchung; erfasst sei vom Anhang 1 vielmehr jede elektrokardiographischen Untersuchung – auch die mit zwölf Ableitungen. Dem stehe nicht die Ausnahmeregelung in Nr. 1 der Präambel zum Anhang 1 entgegen. Diese schränke lediglich den grundsätzlichen Abrechnungsausschluss in bestimmten Kombinationen der Grund- bzw. Versichertenpauschale mit speziellen diagnostisch-therapeu¬tischen GOPen ein. So könnten ausschließlich die Grundpauschalen des 27. Kapitels (GOP Nr. 27210 bis 27212) mit der GOP Nr. 27320 kombiniert werden, nicht aber die in den anderen Kapiteln des EBM enthaltenen Versicherten- und Grundpauschalen und auch nicht die Notfallpauschale gemäß GOP Nr. 01210. Die Notfallambulanzen der Krankenhäuser sollten bei Notfallbehandlungen im Vergleich zu Vertragsärzten weder privilegiert noch benachteiligt werden. Auch deshalb dürften bei Leistungen von Notfallambulanzen solche GOPen nicht nebeneinander abgerechnet werden, deren kombinierter Ansatz wegen der Fachgruppenbindung keinem Vertragsarzt erlaubt wäre.

Am 7. Oktober 2014 hat die Klägerin gegen den ihr am 15. September 2014 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Es ergebe sich aus der Legende zur GOP Nr. 27320 kein Abrechnungsausschluss dergestalt, dass die Notfallpauschale im Sinne von GOP Nr. 01210 nicht im gleichen Behandlungsfall angesetzt werden dürfe; ein derartiger Abrechnungsausschluss sei vielmehr nur in der Legende zur GOP Nr. 27310 enthalten. Die Leistung im Sinne von GOP Nr. 27320 "gehe" auch nicht im Anhang 1 des EBM "unter". Vielmehr greife hier die Ausnahmeregelung gemäß Nr. 1 der Präambel zum Anhang 1, weil die elektrokardiographische Untersuchung mit zwölf Ableitungen in der GOP Nr. 27320 verzeichnet sei. Insofern sei der Wortlaut des EBM eindeutig und unmissverständlich. Das SG verkenne den Gehalt der Ausnahmeregelung in Nr. 1 der Präambel, wenn es meine, die elektrokardiographische Untersuchung im Sinne des Anhangs 1 umfasse sowohl Untersuchungen mit weniger als zwölf Ableitungen wie auch Untersuchungen mit zwölf oder mehr Ableitungen. Das SG nehme insofern eine teleologische Reduktion der Ausnahmeregelung vor bzw. eine nicht gerechtfertigte Auslegung aufgrund einer systematischen Gesamtschau, für die rechtlich kein Anlass bestehe. Auch die Ausführungen des SG zur Fachgruppenbindung seien unverständlich, da die Fachgruppenbindung gerade im Notfall weder für Vertragsärzte noch für Notfallambulanzen gelte; Vertragsärzte könnten bei Notfallbehandlungen ebenfalls die GOP Nr. 27320 abrechnen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 2. September 2014 sowie die Honorarbescheide vom 27. Januar 2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die angeforderten Leistungen ohne Absetzung der Ansätze gemäß Gebührenordnungsposition Nr. 27320 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs zu vergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich am 25. April 2018 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die in den Gerichtsakten enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs. 3 und 4, § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angegriffenen Honorarbescheide vom 27. Januar 2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. April 2014 sind rechtmäßig. Insbesondere ist die Absetzung der Ansätze gemäß GOP Nr. 27320, gegen die sich die Klägerin in der Berufungsinstanz nur noch gewendet hat, nicht zu beanstanden.

1. Rechtsgrundlage für die sachlich-rechnerische Richtigstellung war § 106a Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des GKV-Modernisie¬rungs¬-gesetzes vom 14. November 2003 (BGBI. I S. 2190). Demnach stellten die Kassenärztlichen Vereinigungen die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung fest – d.h. auch die Abrechnungen betreffend die Leistungen von Notfallambulanzen in Krankenhäusern, die als Notfallleistungen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) der vertragsärztlichen Versorgung zuzuordnen sind (BSG, Urteil vom 28. Juni 2017 – B 6 KA 12/16 R – juris Rn. 10 und 17). Die Prüfung auf sachlich-rechne¬rische Richtigkeit zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts (mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots), erbracht und abgerechnet worden sind (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 6 KA 21/09 R – juris Rn. 14 m.w.N.).

2. Gegenstand der sachlich-rechnerischen Richtigstellung war vorliegend die Frage, ob in den Notfallbehandlungsfällen des Quartals III/2013 neben der Notfallpauschale gemäß GOP Nr. 01210 bei Erbringung einer elektrokardiographischen Untersuchung mit mindestens zwölf Ableitungen (bzw. Kanälen) zusätzlich die GOP Nr. 27320 angesetzt werden durfte. Die Beklagte verneint diese Frage zu Recht; sie setzte die Ansätze gemäß GOP Nr. 27320 in den betreffenden Behandlungsfällen der Klägerin daher zu Recht ab.

Dies folgt, wie das SG zutreffend festgestellt hat, aus Ziffer I Nr. 2.1.3 Abs. 2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM. Darin heißt es, dass "eine Gebührenordnungsposition [ ] nicht berechnungsfähig [ist], wenn deren obligate und – sofern vorhanden – fa¬kultative Leistungsinhalte vollständig Bestandteil einer anderen berechneten Gebührenordnungsposition sind". Leistungen des fakultativen Leistungsinhalts, die im Einzelfall medizinisch notwendig waren (vgl. Ziffer I Nr. 2.1.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM), waren demnach nicht als Teilleistung gesondert abrechenbar.

So verhält es sich auch hier. Die elektrokardiographischen Untersuchungen mit zwölf Ableitungen waren in den streitigen Behandlungsfällen fakultativer Leistungsinhalt der durch die Notfallpauschalen gemäß GOP Nr. 01210 vergüteten Leistungen.

Der EBM regelte die Vergütung von Notfällen in den arztgruppenübergreifenden allgemeinen Gebührenordnungspositionen gemäß (Ziffer II) Abschnitt 1.2. Darin enthalten war insbesondere die "Notfallpauschale im organisierten Not(-fall)dienst und Notfallpauschale für nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Institute und Krankenhäuser" gemäß GOP Nr. 01210; die zugehörige Leistungslegende lautete wie folgt:

Obligater Leistungsinhalt

- Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt im organisierten Not(-fall)dienst und für nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser

Fakultativer Leistungsinhalt

- In Anhang 1, Spalte GP, aufgeführte Leistungen, - Funktioneller Ganzkörperstatus (27310),

einmal im Behandlungsfall 445 Punkte

Neben der Gebührenordnungsposition 01210 ist für die Berechnung der jeweiligen arztgruppenspezifischen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale in demselben Behandlungsfall mindestens ein weiterer persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt außerhalb des organisierten ärztlichen Not(-fall)dienstes notwendig.

Die Gebührenordnungsposition 01210 ist nicht neben den Gebührenordnungspositionen 01100 bis 01102, 01214 bis 01219, 01412, 01414, 01415, 01950, 01951, 03130, 04130, 14220, 14221, 16220, 21220, 21221, 22220 bis 22222, 23220, 27310 und 30930 bis 30933 und nicht neben den Gebührenordnungspositionen des Kapitels 35 berechnungsfähig.

Die Gebührenordnungsposition 01210 ist am Behandlungstag nicht neben den Gebührenordnungspositionen 01955 und 01956 berechnungsfähig.

Die elektrokardiographische Untersuchung als solche hatte – sieht man von den besonderen Regelungen zur Belastungs-Elektrokardiographie (vgl. GOP Nr. 03321, 04321, 13251 und 27321) und zum Langzeit-EKG (vgl. GOP Nr. 03241, 03322, 04241, 04322, 13252 13253, 27322 und 27323) ab – im EBM nur unter den arztgruppenspezifischen GOPen im fachärztlichen Versorgungsbereich des Kapitels 27 – "Gebührenordnungspositionen der Physikalischen und Rehabilitativen Medizin" – in der GOP Nr. 27320 – "Elektrokardiographische Untersuchung" – eine gesonderte Regelung erfahren. Leistungen des Kapitels 27 konnten nur von Fachärzten für Physikalische und Rehabilitative Medizin (Nr. 1 der Präambel des Abschnitts 27.1) und bestimmten gleichgestellten Ärzten (Nr. 2 und 3 der Präambel des Abschnitts 27.1) abgerechnet werden. Abrechnungsfähig waren nach Kapitel 27 neben den "physikalisch rehabilitativen Grundpauschalen" gemäß GOP Nr. 27210 bis 27212 die besonderen "diagnostischen und therapeutischen Gebührenordnungspositionen", zu denen neben der "Elektrokardiographischen Untersuchung" gemäß GOP Nr. 27320 u.a. der "funktionelle Ganzkörperstatus" gemäß GOP Nr. 27310 und die "klinisch-neurologische Basisdiagnostik" gemäß GOP Nr. 27311 gehörten; zur Leistungslegende der GOP Nr. 27320 war Folgendes geregelt:

Obligater Leistungsinhalt

- Mindestens 12 Ableitungen (Extremitäten und Brustwand) 225 Punkte

Die Gebührenordnungsposition 27320 ist nicht neben den Gebührenordnungspositionen 27321 und 30901 berechnungsfähig.

Die Gebührenordnungsposition 27320 ist am Behandlungstag nicht neben den Gebührenordnungspositionen 31622 bis 31629 berechnungsfähig.

Insofern trifft zwar die Feststellung der Klägerin zu, dass weder in der Leistungslegende zur GOP Nr. 01210 die GOP Nr. 27320 aufgeführt war noch umgekehrt in der Leistungsle-gende zur GOP Nr. 27320 die GOP Nr. 01210, sondern dass lediglich im zweiten Spie gelstrich zum fakultativen Leistungsinhalt der GOP Nr. 01210 die GOP Nr. 27310 ("Funktioneller Ganzkörperstatus") benannt war bzw. umgekehrt in der Legende zur GOP Nr. 27310 klargestellt war, dass diese nicht neben der GOP Nr. 01012 berechnungsfähig war. Daraus kann jedoch nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die elektrokardiographische Untersuchung im Sinne der GOP Nr. 27320 nicht zum fakultativen Leistungsinhalt der GOP Nr. 01012 gehören konnte. Vielmehr zählte die elektrokardiographische Untersuchung zu den im ersten Spiegelstrich der Legende zum fakultativen Leistungsinhalt der GOP Nr. 01012 genannten "in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführte Leistungen".

Der Anhang 1 zum EBM, auf den sich dieser Verweis bezieht, enthält ein "Verzeichnis der nicht gesondert berechnungsfähigen Leistungen". Hierzu heißt es:

1. Die im Anhang 1 aufgeführten Leistungen sind – sofern sie nicht als Gebührenordnungspositionen im EBM verzeichnet sind – Teilleistungen von Gebührenordnungspositionen des EBM und als solche nicht eigenständig berechnungsfähig.

2. In den Gebührenordnungspositionen wird ggf. auf die Bezeichnung der Spalten VP = Versichertenpauschale, GP = Grund- / Konsiliarpauschale, bzw. SG = sonstige Gebührenordnungspositionen verwiesen.

Legende VP GP SG

Leistung ist Leistung ist Leistung ist in der möglicher in sonstigen Versicherten- Bestandteil GOP pauschale der Grund- enthalten Kapitel 3 pauschale(n) bzw. 4 enthalten

[ ...]

Elektrokardiographische Untersuchung x x

[ ...]

Erhebung eines Ganzkörperstatus x x x

[ ...]

Ganzkörperstatus x

Soweit die Klägerin ihre Argumentation auf die in Nr. 1 der Präambel des Anhangs 1 genannte Ausnahmeregelung stützt, unterliegt sie einem Missverständnis.

Der Präambel zu Anhang 1 ist zu entnehmen, dass dieser zwei Funktionen hatte. Nr. 1 der Präambel stellte klar, dass die im Anhang 1 aufgeführten Leistungen – sofern sie nicht als GOP im EBM gesondert verzeichnet waren – nicht eigenständig berechnungsfähig waren; d.h. sie waren – wie das SG ausgeführt hat – in einer Versichertenpauschale des 3. und 4. Kapitels, einer Grundpauschale oder einer sonstigen GOP berücksichtigt. Nr. 2 der Präambel enthielt dagegen den Hinweis, dass einige Regelungen des EBM auf bestimmte Spalten des Anhangs verwiesen (dies hatte Praktikabilitätsgründe, vgl. Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 5. April 2017 – L 12 KA 49/16 – juris Rn. 73). Solche Verweise fanden sich u.a. in den Regelungen zum fakultativen Leistungsinhalt der GOP Nr. 01210, 01214, 01216, 01218, 01320, 01321, 40870 und 40872; sie entfalteten ihre Rechtswirkung (Ausschluss der eigenständigen Berechnung) nicht über Nr. 1 der Präambel, sondern über Ziffer I Nr. 2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM.

Die allgemeine Regelung gemäß Nr. 1 und die spezielleren Verweisungsregelungen im Sinne von Nr. 2 sind also rechtlich voneinander unterscheiden. Eine Verweisung im Sinne von Nr. 2 bezog sich nur auf die jeweils genannte Spalte des Anhangs 1 und nicht auf die Regelung in Nr. 1 – insbesondere nicht auf die Ausnahme zu einer besonders verzeichneten GOP (so zutreffend auch Bayerisches LSG, Urteil vom 5. April 2017 – L 12 KA 49/16 – juris Rn. 71). Demnach war z.B. eine elektrokardiographische Untersuchung nicht gesondert abrechenbar neben einer hausärztlichen oder pädiatrischen Versichertenpauschale des Kapitels 3 oder 4 (Nr. 1 der Präambel – Spalte VP) und grundsätzlich auch nicht neben einer fachärztlichen Grundpauschale der Kapitel 5 ff. (Nr. 1 der Präambel – Spalte GP) – ausnahmsweise jedoch im Fachbereich der Physikalischen und Rehabilitativen Medizin im Fall der GOP Nr. 27320 (Untersuchung mit mindestens zwölf Ableitungen) neben einer Grundpauschale des Abschnitts 27.2 (GOP Nr. 27210 bis 27212), da für diesen Bereich eine GOP im EBM gesondert verzeichnet war (Ausnahmeregelung in Nr. 1 der Präambel). Des Weiteren war die elektrokardiographische Untersuchung aufgrund Ziffer I Nr. 2.1.3 Abs. 2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM sowie der speziellen Verweise auf Anhang 1, Spalte GP, im fakultativen Leistungsinhalt der Leistungslegenden nicht neben einer Notfallpauschale gemäß GOP Nr. 01210, einer Notfallkonsultationspauschale gemäß GOP Nr. 01214, 01216 oder 01218 oder einer Grundpauschale für ermächtigte Ärzte gemäß GOP Nr. 01320 oder 01321 abrechenbar. Darauf, dass nach Nr. 1 Satz 2 der Präambel des Abschnitts 1.2 im Notfall die Bindung gemäß Ziffer I Nr. 1.5 der Abrechenbarkeit arztgruppenspezifischer GOPen an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Arztgruppe aufgehoben war, kommt es nicht an; im Notfall konnte nicht einmal ein Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin die GOP Nr. 27320 abrechnen.

Die vorstehend dargestellte Rechtslage entspricht einer in erster Linie am Wortlaut des EBM orientierten Auslegung (zu dieser Anforderung BSG, Urteil vom 7. Februar 2007 – B 6 KA 32/05 R – juris Rn. 13). Gerade die Rechtsauffassung der Klägerin steht im Widerspruch zum Wortlaut der Leistungslegende der GOP Nr. 01210, die nur auf Anhang 1, Spalte GP, verweist und gerade nicht die Nr. 1 der Präambel des Anhangs 1 in Bezug nimmt, die im Übrigen – wie vorstehend erläutert – auch hinsichtlich des rechtlichen Zusammenhangs mit dem über Ziffer I Nr. 2.1.3 Absatz 2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM und Nr. 2 der Präambel des Anhangs 1 wirkenden Verweis nichts tun hat.

Des Weiteren entspricht es einer am Wortlaut orientierten Auslegung, dass die im An hang 1 zum EBM genannte "elektrokardiographische Untersuchung" nicht nur dann einschlägig war, wenn sie mit weniger als zwölf Ableitungen durchgeführt wurde, sondern auch dann, wenn zwölf oder mehr Kanäle eingesetzt wurden. Zum einen ergab sich eine Einschränkung hinsichtlich der Zahl der Ableitungen nicht aus dem Wortlaut des Anhangs 1. Zum anderen wurde gerade an der deckungsgleichen Bezeichnung der GOP Nr. 27320 – "elektrokardiographische Untersuchung" – deutlich, dass sich an der Begrifflichkeit durch die Zahl der Ableitungen nichts ändern sollte. Nur elektrokardiographische Untersuchungen, die – wie die "Belastungs-Elektrokardiographie" und das "Langzeit-EKG" – mit besonderen Mitteln verbunden waren bzw. einem besonderen Zweck dienten und daher im EBM besonders bezeichnet wurden, waren vom Anhang 1 nicht erfasst (so z.B. auch AAA – Abrechnung aktuell, Ausgabe 2/2008, S. 5, siehe https://www.iww.de/aaa/).

Aus der Auslegung des Anhangs 1 streng am Wortlaut der Bezeichnungen im EBM erklärt sich schließlich, weshalb die GOP Nr. 27310 – "Funktioneller Ganzkörperstatus" – beim fakultativen Leistungsinhalt in der Leistungslegende der GOP Nr. 01210 gesondert aufgeführt war. Denn diese Leistung war im Anhang 1, anders als die "Erhebung des Ganzkörperstatus" (vgl. GOP Nr. 13250) und der "Ganzkörperstatus" (vgl. z.B. GOP Nr. 31010), nicht ausdrücklich benannt; sie war damit nicht vom Anhang 1 erfasst (vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 5. April 2017 – L 12 KA 49/16 – juris Rn. 73).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

III.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 SGG) bestehen nicht.

IV.

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 Gerichtkostengesetz (GKG); sie entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Rechtskraft
Aus
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