Behandlung zu früh fortgesetzt – Zahnarzt haftet

(red/dpa). Ein Arzt muss nicht nur wissen, was er tun muss, sondern, auch wann er nichts tun darf. Setzt ein Zahnarzt nach einer eingeleiteten Schienentherapie die Behandlung zu früh mit der Versorgung mit provisorischem Zahnersatz fort, kann dies ein grober Behandlungsfehler sein.

Eine Weiterbehandlung durch den Zahnarzt ist im Falle eines groben Behandlungsfehlers für den Patienten unzumutbar, informiert die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und verweist auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm.

Nach Behandlung durch Zahnarzt: akute Zahnschmerzen werden chronisch

Eine 37-jährige Frau hatte sich wegen Kopf- und Zahnschmerzen in zahnärztliche Behandlung begeben. Der Zahnarzt passte eine Schiene an, um eine Kieferfehlstellung zu korrigieren. Als die Beschwerden nicht nachließen, entfernte der Arzt nach rund drei Monaten die Amalganfüllungen der Patientin und schliff die Zähne für den geplanten Einsatz von Interimszahnersatz ab. Kurz darauf erhielt sie Interimsbrücken.

Die Zahnschmerzen verschlimmerten sich und die Frau erkrankte an einer Knochenentzündung im Oberkiefer, die schließlich stationär behandelt werden musste. Erst nach Entfernung der Provisorien besserte sich der Zustand der Frau. Die Schmerzen waren zwischenzeitlich allerdings chronisch geworden, weswegen sie Schadensersatz verlangte, unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro.

Behandlung mit Langzeitprovisorien zu früh begonnen

Ihre Klage war erfolgreich. Die Sachverständigen hatten eine grob fehlerhafte Zahnbehandlung festgestellt. Der Zahnarzt habe seine Patientin provisorisch prothetisch versorgt, obwohl die Position des Unterkiefers durch die Schienentherapie noch nicht ausreichend gesichert gewesen sei. Gesichert bedeute, dass der Patient mindestens ein halbes Jahr beschwerdefrei damit gelebt haben müsse. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.

Im Gegenteil: Die angemessene Zeit der Beschwerdefreiheit habe der Arzt so massiv unterschritten, dass die zahnärztlichen Bemühungen geradezu zum Scheitern verurteilt gewesen seien. Ein solches Vorgehen sei nicht verständlich, weil es, so eine Sachverständige, gegen das „Dickgedruckte“ verstoße, also gegen bewährte zahnmedizinische Erkenntnisse.

Grober Behandlungsfehler

Die Richter sahen daher einen groben Behandlungsfehler des Arztes. Ein grober Behandlungsfehler liege dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte Behandlungsregeln oder feststehende medizinische Erkenntnisse verstoße – also ein Fehler, der einem Arzt schlechterdings nicht passieren dürfe.

Oberlandesgericht Hamm am 6. Juni 2014 (AZ: 26 U 14/13)

Pressemitteilung vom 27.03.2015

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