Arzt vor Gericht darf unter Umständen bis zum Urteil nicht praktizieren

Wird ein Arzt wegen beruflichen Fehlverhaltens angeklagt, kann die zuständige Behörde das Ruhen seiner Approbation bis zur Gerichtsentscheidung festlegen. Voraussetzung ist, dass eine Gefährdung für die Patienten besteht. Ist dies nicht der Fall, kann eine solche Maßnahme jedoch unverhältnismäßig sein. Entsprechend ordnete am 16. Januar 2012 das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen an, dass eine Ärztin bis zum Abschluss des Verfahrens gegen sie wieder praktizieren dürfe (AZ: 7 L 11/12). Darüber informiert die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der als Ärztin und Hebamme zugelassenen Frau wird vorgeworfen, bei der Geburtshilfe während einer Hausgeburt mindestens bedingt vorsätzlich den Tod des Kindes in Kauf genommen zu haben. Sie habe dies getan, um einem aus ihrer Sicht „natürlichen“ Geburtsvorgang Vorrang einzuräumen. Die Frau wurde deswegen wegen Totschlags angeklagt. Aufgrund der Anklage ordnete die zuständige Bezirksregierung an, dass die Approbation der Ärztin zu ruhen habe. Hiergegen wiederum klagte die Frau.

Die Richter waren der Meinung, dass das Ruhen der Approbation unverhältnismäßig sei. Bei Vorwürfen wie denen gegen die Ärztin bestehe in der Tat die Möglichkeit, zum Schutz der Patienten vorsorgliche Maßnahmen zu ergreifen. Bestehe eine Gefährdung, reiche als Voraussetzung die Einleitung eines Strafverfahrens aus. Eine rechtskräftige Verurteilung sei dagegen nicht erforderlich, denn die im Strafrecht geltende Unschuldsvermutung greife nicht, da es nicht um die Bestrafung des Arztes gehe, sondern um den Schutz der ihm anvertrauten Patienten.

Im vorliegenden Fall sahen die Richter eine solche Maßnahme jedoch nicht als notwendig an. Eine weitere Berufstätigkeit der Ärztin lasse keine konkreten Gefahren für die Patienten befürchten. Der angeklagte Vorfall sei in ihrer langjährigen Praxis einzigartig. Der Vorwurf, sie habe den Tod eines Kindes in Kauf genommen, weil sie medizinische Eingriffe in den Geburtsvorgang prinzipiell ablehne, lasse sich nicht feststellen. Es sprächen zwar gewisse Anhaltspunkte dafür, dass die Frau offensichtlich der Auffassung sei, Risikogeburten „auf natürlichem Wege“ zu beherrschen. Eine solche bloße Überschätzung eigenen Könnens als Ärztin bzw. Hebamme dürfe aber nicht ohne Weiteres als Beweis für die Unzuverlässigkeit für den Arztberuf herangezogen werden. 

Darüber hinaus fehle es an tragfähigen Anhaltspunkten dafür, dass die Ärztin auch unter dem Druck der laufenden Verfahren an einer etwaigen Fehleinstellung zu ihren beruflichen Pflichten festhalten könnte.

Pressemitteilung vom 05.03.2012

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