Arzt im Notdienst muss tatsächlich erreichbar sein

Ein Arzt, der zum Notdienst eingeteilt wurde, muss erreichbar sein. Allein die telefonische Erreichbarkeit reicht nicht aus. Dies entschied das Verwaltungsgericht Gießen am 20. Oktober 2010 (AZ: 21 K 3235/09. GI.B), wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Ein niedergelassener Arzt erhielt während seines Wochenendnotdienstes abends zwischen 21.00 und 22.00 Uhr einen Anruf: Einer älteren Frau ging es sehr schlecht. Der Arzt bestellte sie für 23 Uhr in seine Praxis. Die Nichte der Frau fuhr mit ihrem Mann und dessen Mutter, die den Weg zur Praxis weisen sollte, die Tante zur Arztpraxis, wo sie zwischen 23 Uhr und 23.10 Uhr ankamen. Sie klingelten mehrmals, doch niemand öffnete ihnen. Da sich der Zustand der Frau rapide verschlechterte, fuhren die Verwandten sie ins nächstgelegene Krankenhaus. Dort mussten sie wie andere Hilfesuchende auch längere Zeit in der Notaufnahme warten. Einem Arzt fiel der schlechte Gesundheitszustand der Frau auf. Ihre Behandlung wurde vorgezogen und ein schwerer Herzinfarkt festgestellt. In derselben Nacht starb die Frau.

Es kam zu einem Verfahren beim Berufsgericht für Heilberufe. In diesem bestritt der Arzt, ein Klingeln an seiner Praxistür oder im Wohnhaus gehört zu haben. Er habe zwischen 23 Uhr und 23.20 Uhr in der Praxis auf die angekündigte Person gewartet. Die Richter kamen jedoch zu der Überzeugung, dass die Kranke mit ihren Angehörigen tatsächlich vergeblich an der Eingangstür zur Praxis und zum Haus geläutet bzw. gewartet hatte. Sie verurteilten den Arzt zu einer Geldbuße von 3.000 Euro und erteilten ihm einen Verweis wegen Verstoßes gegen seine Berufspflichten. Nach Auffassung der Richter hat ein Arzt, der zum Notdienst eingeteilt ist, alle Personen in ärztliche Obhut zu nehmen, die um ärztliche Hilfe nachsuchen. Dabei muss er auch tatsächlich und nicht nur telefonisch erreichbar sein.

Allerdings müsse der Arzt nicht auch tatsächlich eine Heilbehandlung durchführen. Er sei vielmehr lediglich verpflichtet zu entscheiden, ob eine Behandlungsbedürftigkeit vorliege und wie und von wem die Behandlung durchzuführen sei.

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Pressemitteilung vom 03.12.2010

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