2017-10


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

anliegend übersenden wir Ihnen den Newsletter 2017-10.

 

1. Urteile aus dem Medizinrecht

 

Keine Mindestpreise bei Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken

Pharmazeutische Großhändler sind nicht verpflichtet, bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Apotheken einen Mindestpreis zu erheben.

Eine Pharmagroßhändlerin, die verschreibungspflichtige Arzneimittel (sogenannte Rx-Artikel) vertreibt, warb damit, dass sie ihren Apothekenkunden auf alle Rx-Artikel bis 70 € einen Rabatt von 3% plus 2,5% Skonto auf den rabattierten Preis und ab 70 € bis zur Hochpreisgrenze einen Rabatt von 2% plus 2,5% Skonto auf den rabattierten Preis gewähre. Fraglich war, ob darin ein Verstoß gegen die Preisvorschriften in § 78 AMG und § 2 AMPreisV lag.

Wie der BGH feststellte, legt § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit den dort vorgesehenen Großhandelszuschlägen eine Preisobergrenze, aber keine preisliche Untergrenze fest. Der Großhandel ist daher nicht verpflichtet, einen Mindestpreis zu beanspruchen, der der Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, der Umsatzsteuer und einem Festzuschlag von 70 Cent entspricht. Er kann deshalb nicht nur auf den in § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV genannten preisabhängigen, bis zur Höchstgrenze von 3,15 Prozent veränderlichen Zuschlag, höchstens jedoch 37,80 €, sondern auch auf den darin erwähnten Festzuschlag von 70 Cent ganz oder teilweise verzichten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.10.2017 – I ZR 172/16
- Urteil bisher offenbar unveröffentlicht -

   

Abgabe preisgebundener Arzneimittel: Auch geringwertige Zugaben verboten

Apotheker dürfen ihren Kunden beim Erwerb verschreibungspflichtiger und sonstiger preisgebundener Arzneimittel keine geldwerten Vorteile gewähren. Daher untersagte das OVG Münster zwei Apothekerinnen, Gutscheine für eine Rolle Geschenkpapier bzw. ein Paar „Kuschelsocken“ zur Einlösung „bei Abgabe eines Rezeptes“ herauszugeben.

Das Gericht bestätigte die Ansicht der Apothekerkammer, die beiden Apothekerinnen hätten gegen das Gebot der Preisbindung verstoßen, weil die in den Gutscheinen versprochene Sachzuwendung den Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels für den Kunden günstiger erscheinen lasse. Der Kunde spare eigene Aufwendungen, indem er gegen Abgabe des Gutscheins eine Ware des täglichen Bedarfs erhalte. Dass diese nur einen geringen Wert (weniger als 0,50 €) habe, sei im Rahmen der Preisbindung unerheblich, weil diese keine Bagatellgrenze für (zulässige) Abweichungen kenne.

Oberverwaltungsgericht für das Land NRW, Urteil vom 08.09.2017 – 13 A 2979/15
https://arge-medizinrecht.de/wp-content/uploads/2017/10/2017-09-08-ovg-nrw-13-a-2979-15.pdf
und
Oberverwaltungsgericht für das Land NRW, Urteil vom 08.09.2017 – 13 A 3027/15
- Urteil bisher offenbar unveröffentlicht -

 

Abrechnung der sog. Chronikerpauschale bleibt Internisten verwehrt

Der dem Bewertungsausschuss gemäß § 87 Abs. 2 SGB V übertragene Auftrag zur Gestaltung des EBM schließt die Befugnis ein, über die Beschreibung und Bewertung der ärztlichen Verrichtungen das Leistungsverhalten der Ärzte steuernd zu beeinflussen. Eine solche Berechtigung besteht insbesondere dann, wenn dem Ausschuss nach § 87 Abs. 2a S. 1 SGB V ausdrücklich aufgegeben ist, die Leistungen entsprechend der in § 73 Abs. 1 S. 1 SGB V festgelegten Gliederung der Versorgungsbereiche so zu gestalten, dass unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistungen grundsätzlich Leistungen der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Leistungen der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten abgerechnet werden dürfen.

Es liegt auf der Hand, dass angesichts der im hausärztlichen und im fachärztlichen Versorgungsbereich unterschiedlichen Vergütungssystematik nicht Einzelpositionen aus dem hausärztlichen Bereich für Ärzte geöffnet werden können, die im fachärztlichen Versorgungsbereich tätig sind. Eine gleichheitswidrige Benachteiligung fachärztlicher Internisten kann angesichts der unterschiedlichen Vergütungssystematik von vornherein nicht daraus abgeleitet werden, dass ihnen eine bestimmte GOP aus dem hausärztlichen Versorgungsbereich nicht zur Verfügung steht.

Vor diesem Hintergrund beabsichtigte eine an der fachärztlichen Versorgung teilnehmende Internistin vergeblich, gerichtlich klären zu lassen, ob es rechtmäßig ist, wenn der EBM-Ä für einen grundsätzlich gleichen Mehraufwand bei der ärztlichen Tätigkeit hausärztlich tätiger Diabetologen eine pauschale Zusatzvergütung in Form der sog. Chronikerpauschale gewährt, während eine derartige zusätzliche Vergütung fachärztlich tätigen Diabetologen nicht zusteht, obwohl sie die gleiche Leistung erbringen. 

Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.08.2017 – B 6 KA 14/17 B
https://goo.gl/pttpQL

 

Haftung für fehlerhaftes „Slicen“ von Milchzähnen bestätigt

Wird bei dem Beschleifen von Milchzähnen zu viel Material abgetragen, sodass eine ungleichmäßige Oberfläche entsteht, kann ein grober zahnärztlicher Behandlungsfehler vorliegen. 

Eine gerade volljährige Patientin, bei der mehrere bleibende Zähne nicht angelegt sind, begab sich in kieferorthopädische Behandlung. Ihre vorhandenen Milchzähne sollten solange wie möglich erhalten bleiben und später durch Implantate ersetzt werden. Wie die Gerichte feststellten, wurden dann von einer Zahnärztin Schleifmaßnahmen an den Milchzähnen grob fehlerhaft ausgeführt. Infolge des fehlerhaften Slicens seien die Milchzähne geschädigt worden.

Das OLG Hamm bestätigte das vom Landgericht festgesetzte Schmerzensgeld in Höhe von 2000,00 €. Aufgrund der fehlerhaften Behandlung waren bei der Patientin folgende Gesundheitsschäden eingetreten: Schmerzen, behandlungsbedürftige Dentinwunden, Temperaturempfindlichkeit, Kariesbildung an zwei Zähnen, eine verschlechterte Langzeitprognose. Ferner stellte das Gericht die Ersatzpflicht der Beklagten im Hinblick auf noch nicht absehbare weitere gesundheitliche Folgen fest. 

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 04.07.2017 – 26 U 3/17
https://goo.gl/ND8XHX

 

Zur Einstands- und Erkundigungspflicht bei postoperativer Kontrolle und Befundung 

Die Einstandspflicht des Arztes, der nach der operativen Behandlung einer Schulterrotatorenmanschettenruptur mittels Swift-​Lock-Anker behandlungsfehlerhaft eine Röntgenkontrolle der Schulter unterlässt, umfasst nicht weitere Befunderhebungsfehler der ambulanten Nachbehandler. 

Ist dem mit einer postoperativen MRT-Befundung betrauten Radiologen das genaue Operationsverfahren nicht bekannt, hat er sich bei dem operierenden Krankenhaus zu erkundigen, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich hieraus Rückschlüsse für die Befundung ziehen lassen.

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 29.08.2017 – 4 U 401/17
https://arge-medizinrecht.de/wp-content/uploads/2017/10/olg-dresden-4-u-401-17.pdf

 

Krankenhaus muss interne Unterlagen nicht herausgeben 

Unterlagen über die interne Organisation einer Klinik (zum Beispiel Vorschriften über die Aufbereitung von Operationsbestecken) stellen keine Behandlungsunterlagen im Sinne von § 630 g BGB dar, auf deren Herausgabe der Patient einen Anspruch haben könnte.

Davon abgesehen besteht kein Anspruch aus § 810 BGB auf die Einsichtnahme in Urkunden, wenn die Einsicht lediglich aufgrund vager Vermutungen verlangt wird, um erst dadurch Anhaltspunkte für eine spätere Rechtsverfolgung zu gewinnen.

Eine Patientin, die nach einer Klinik-Operation eine erhebliche Entzündung erlitt und später über die Medien von Hygienemängeln in dem Krankenhaus erfuhr, verlangte vor diesem Hintergrund vergeblich Einsicht in Namenslisten von Ärzten mit Qualifikationsnachweisen, Vorschriften zu sog. Standard-Operating-Procedures (SOP) und Aufbereitungsvorschriften für Operationsbestecke.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 03.08.2017 – 7 U 202/16
- Urteil veröffentlicht bei juris.de -

 

Erfolglose Klage gegen Regress nach Überschreitung individueller Richtgrößen

Eine Vereinbarung individueller Richtgrößen bindet den Vertragsarzt und nimmt ihm im Falle der Richtgrößenüberschreitung die Möglichkeit, diese nachträglich in Zweifel zu ziehen. Auch die nachträgliche Geltendmachung von Praxisbesonderheiten ist ausgeschlossen. Außerdem ist der komplette Mehraufwand ohne „Toleranzbereich“ (wie in § 106 Abs. 5a S. 1 und 3 SGB V in Höhe von 25 %) zu erstatten. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns kann es aber geboten sein, den Regressbetrag zu reduzieren, auch wenn die Gründe hierfür keinen Anspruch auf Anpassung der Vereinbarung individueller Richtgrößen nach § 59 SGB X begründen könnten. 

Im Rahmen seiner Klage gegen einen Regressbescheid über knapp 87.000 € hatte ein Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten geltend gemacht, der Regress sei auch unverhältnismäßig, weil bestimmte Veränderungen im Medikamentenbereich bei Abschluss der Vereinbarung der individuellen Richtgröße nicht absehbar gewesen seien. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Kläger aufgrund seines bisherigen Verordnungsverhaltens wusste, dass sich die Medikamentenkosten für bestimmte Patientengruppen, die als Praxisbesonderheit bereits in der individuellen Richtgröße berücksichtigt waren, nach oben entwickeln würden. Der Arzt hatte daher schon vor Vertragsabschluss die Möglichkeit, darauf aufmerksam zu machen, dass die vertragliche Regelung, die sich an den Arzneimittelverordnungen des Jahres 2007 orientierte, für das Jahr 2010 nach seiner Meinung einer gewissen Anpassung bedürfen könnte.

Sozialgericht Dresden, Urteil vom 26.07.2017 – S 18 KA 11/14
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=194616

 

Keine Berücksichtigung herzdiagnostischer Leistungen als Praxisbesonderheit 

Herzdiagnostische Leistungen, insbesondere die Herzfunktionsdiagnostik nach den EBM-Nummern 17332 und 17333, sind keine Spezialleistungen für Nuklearmediziner, sodass sie nicht Gegenstand einer Praxisbesonderheit bei der Bemessung des Regelleistungsvolumens sein können.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 06.09.2017 – L 3 KA 46/14
https://goo.gl/8pqguV

 

Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten: Honorarkürzungen erfolgreich angefochten

Gemäß § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV darf die Beschäftigung eines Assistenten nicht der Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen. 

Von einem übergroßen Praxisumfang ist allerdings im Fall einer Hausarztpraxis nicht schon dann auszugehen, wenn die Fallzahlen des Vertragsarztes das Doppelte des Fachgruppendurchschnitts überschreiten. Erst ab einem Praxisumfang von 250 % über dem Durchschnitt der Fachgruppe liegt ein übergroßer – und damit eine Honorarkürzung rechtfertigender – Praxisumfang vor. Selbst dann muss die KV zusätzlich noch nachweisen, dass der überdurchschnittliche Praxisumfang auch tatsächlich auf dem missbräuchlichen Einsatz von Assistenten beruht.

Sozialgericht Berlin, Urteil vom 13.09.2017 – S 83 KA 423/14
https://goo.gl/vsdgfB

Bezüglich einer Vergrößerung der Kassenpraxis im Sinne des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV kann bei Weiterbildungsassistenten im Regelfall nur ein Praxiszuwachs (Fallzahlzuwachs) von 25 % akzeptiert werden. Solange der Weiterbildungsassistent einem konkreten Arzt in der Praxis zugewiesen ist, bleibt es nach Auffassung der Kammer dabei, dass es für die Prüfung des Vorliegens der Vergrößerung der Kassenpraxis auf die Fallzahlen dieses konkreten Arztes ankommt. Liegt eine Vergrößerung der Kassenpraxis vor, muss die KV noch nachweisen, dass die Vergrößerung auf der Beschäftigung des Weiterbildungsassistenten beruht.

Sozialgericht Berlin, Urteil vom 13.09.2017 – S 83 KA 109/15
https://goo.gl/HzVW2U

 

Keine Zweigpraxisgenehmigung trotz Wochenendsprechstunden-Angebot 

Zwar können besondere organisatorische Vorkehrungen wie etwa das Angebot von Abend- und Wochenendsprechstunden eine quantitative Verbesserung des Versorgungsangebots im Sinne von § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV darstellen. Dass eine beabsichtigte Zweigpraxis ein solches Angebot vorhalten will, führt aber entgegen der Rechtsauffassung des klagenden Facharztes für innere Medizin und Gastroenterologie noch nicht zwingend dazu, dass im Ergebnis eine Verbesserung der Versorgung festzustellen ist. Vielmehr handelt es sich insoweit nur um ein abwägungsrelevantes Element neben anderen, das von den zur Entscheidung berufenen Zulassungsgremien in Betracht zu ziehen ist. 

Im entschiedenen Fall war der Senat nicht der Auffassung, dass das Angebot, zusätzliche Sprechzeiten am Freitagnachmittag und Samstagmorgen abzuhalten, ein Vorteil von einem solchen Gewicht ist, dass mögliche Nachteile dahinter zurücktreten müssten. Der Senat vermochte „den Vortrag des Klägers über den insoweit bestehenden besonderen Bedarf vor Ort nur im begrenzten Umfang nachzuvollziehen“.

Kein Beleg für einen besonderen Versorgungsbedarf sei jedenfalls, dass ein Arzt nach seinem Vortrag am Wochenende, das er regelmäßig am Ort der beantragten Zweigstelle verbringt, auch ohne zugelassene Zweigpraxis regelmäßig von einer Vielzahl von Patienten aufgesucht und um Rat gefragt wird. Das Hinzukommen eines weiteren Arztes an einem bestimmten Ort begründet noch keine relevante Verbesserung der Versorgung. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob dem hinzutretenden Arzt von der ansässigen Bevölkerung besonderes Vertrauen entgegengebracht wird.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.09.2017 – L 24 KA 26/16
https://goo.gl/Fgb2gN

 

Keine Ermächtigungserweiterung für augenärztliche IVM-Leistungen

Eine Kassenärztliche Vereinigung wandte sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die einem Krankenhausarzt erteilte Ermächtigung zur Erbringung von Leistungen der intravitrealen Medikamenteneingabe (IVM) in der vertragsärztlichen Versorgung. Der Arzt argumentierte, bei einer Begrenzung der Ermächtigungen auf 1.200 Fälle pro Jahr sei damit zu rechnen, dass in ca. 840 Fällen pro Jahr die Behandlung durch ermächtigte Klinikärzte nicht mehr möglich sein werde.

Die Beschwerde der KV hatte Erfolg. Die Erwägung, dass die Behandlungsfallzahl der Ermächtigungen für IVM-Leistungen „dem Umfang der bisherigen Leistungserbringung anzupassen“ sei, um sicherzustellen, dass diejenigen Patienten, die bisher bei ermächtigten Klinikärzten behandelt wurden, auch künftig bei diesen Ärzten behandelt werden können, vermag die Ermächtigung für sich genommen – d.h. unabhängig von Kapazitätsengpässen im Bereich der niedergelassenen Ärzte – nicht zu rechtfertigen, entschied das Gericht. 

Ermächtigungen zur Fortsetzung der Behandlung der bisherigen Patienten ohne das Fortbestehen einer Versorgungslücke könnten – wenn überhaupt – nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen erteilt werden. Derartige Ausnahmefälle seien jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere könne nicht davon ausgegangen werden, dass Patienten mit einer altersbedingten feuchten Makuladegeneration, die IVM-Leistungen benötigen, von vornherein kein Behandlerwechsel zuzumuten sei. Es handele sich um eine Krankheit, an der in Deutschland zumindest eine halbe Millionen Menschen leiden, sowie um eine Behandlung, die deutschlandweit jährlich hunderttausendfach und in aller Regel ohne gravierende Komplikationen durchgeführt wird. Vor diesem Hintergrund könne auch nicht argumentiert werden, dass ältere, langjährig behandelte Patienten einem niedergelassenen Facharzt, der nach der entsprechenden Qualitätssicherungsvereinbarung zur Erbringung von IVM-Leistungen berechtigt ist, kein Vertrauen entgegenbringen könnten.

Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 05.07.2017 – L 1 KA 1/17 B ER
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=194567

 

Keine Ermächtigungserweiterung für Klinik-Radiologen

Der Chefarzt eines Klinik-Instituts für Radiologie beantragte die Ausweitung seiner Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung betreffend die Erbringung der konventionellen Röntgendiagnostik auf Überweisung einer niedergelassenen Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie. Die Ärztin führe ihre Praxis in einem Ärztehaus in BS. Frisch verunfallten Patienten solle nicht zugemutet werden, erst nach F zum Röntgen zu fahren, um anschließend wieder zur Orthopädischen Praxis der Ärztin zu kommen.

Die Erweiterung blieb dem Chefarzt verwehrt. Angesichts der ausreichenden öffentlichen Fahrverbindungen zwischen den nur 10 km voneinander entfernt liegenden Orten BS und F durfte auf die in F bestehenden Behandlungsmöglichkeiten verwiesen und so der Verwirklichung der Versorgungsplanung den Vorrang gegeben werden – jedenfalls für alle planbaren radiologischen Leistungen, so das Gericht. 

In echten medizinischen Notfällen könne eine Behandlung durch den Chefarzt auch ohne besondere Ermächtigung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen. Denn dann finde § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V Anwendung, der Versicherten erlaube, auch zur vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassene Ärzte in Anspruch zu nehmen. 

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.09.2017 – L 24 KA 54/16
https://goo.gl/8MiyDY

 

Arzt ohne Zulassung darf keine Asylbewerber behandeln

Ein Facharzt für Allgemeinmedizin, der angesichts einer Verurteilung wegen Betrugs auf die vertragsärztliche Zulassung bei der KVWL verzichtet hat, darf auch keine ärztlichen Untersuchungen nach dem Asylrecht durchführen. Das SG Düsseldorf hat die Ablehnung seines Antrags auf Genehmigung zur Teilnahme an dem Vertrag über die Durchführung der ärztlichen Untersuchung auf übertragbare Krankheiten nach § 62 Abs. 1 AsylG und die ärztliche Versorgung nach § 4 AsylbLG von Asylbewerbern in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes NRW (Vertrag GUGV-Asyl KV/Land) bestätigt.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht davon aus, dass für ein „Wohlverhalten“ zur Wiederherstellung des notwendigen Vertrauens eine „Bewährungszeit“ von regelmäßig fünf Jahren zu verstreichen hat, die bei Zulassungsentziehungen mit der Verhandlung bzw. Entscheidung des Berufungsausschusses zu laufen beginnt. Im entschiedenen Fall legte das Gericht entsprechend das Datum des Vergleichsabschlusses mit der KVWL zugrunde und stellte fest, die „Bewährungszeit“ laufe nicht vor März 2019 ab. 

Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2017 – S 2 KA 16/17
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/sgs/sg_duesseldorf/j2017/NRWE_S_2_KA_16_17.html

 

Privatklinik unterliegt in Abrechnungsstreit

Soweit eine mit einer Privatklinik geschlossene Vergütungsvereinbarung die Zahlung höherer als die nach § 17 Abs. 1 S. 5 KHG pflegesatzfähigen Beträge vorsieht, ist sie gemäß § 134 BGB nichtig, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Dem Verbotsgesetz zufolge dürfen Privatkliniken, die organisatorisch mit einem Plankrankenhaus verbunden sind und sich in dessen räumlicher Nähe befinden, für Leistungen, die auch vom Plankrankenhaus angeboten werden, ebenfalls nur die Fallpauschalen in Rechnung stellen. Bei einer Sportklinik handelt es sich um eine Einrichtung im Sinne der Vorschrift. 

Die Gesellschafter einer privaten GmbH zum Betrieb der „A. Sportklinik“ in P. (Privatklinik) errichteten eine weitere GmbH, die am selben Standort unter dem Namen „A. Klinik“ ein staatlich gefördertes Krankenhaus für gesetzlich Versicherte (Plankrankenhaus) betreibt. Die A. Sportklinik hatte für eine Hüftoperation circa 13.000 € in Rechnung gestellt. Die Privatversicherung des Patienten hat davon nur rund 6.500 € bezahlt, wie es der Fallpauschale entsprochen hätte.

Das OLG Karlsruhe hat die Entscheidung des LG Karlsruhe bestätigt, das § 17 KHG für anwendbar erklärt und die Klage der Privatklinik auf den restlichen Rechnungsbetrag abgewiesen hatte. Damit kann die Sportklinik für Operationen, die auf der Basis von ab dem 01.01.2012 geschlossenen Behandlungsverträgen durchgeführt wurden, nur die Fallpauschalen für gesetzlich Versicherte abrechnen; höhere Entgeltvereinbarungen sind unwirksam.

Beim LG Karlsruhe sind offenbar derzeit noch über 100 Verfahren um Privatabrechnungen der A. Sportklinik und beim OLG Karlsruhe 15 Berufungsverfahren in diesem Zusammenhang anhängig.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 19.07.2017 Az. 10 U 2/17
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=22590

 

Wettbewerbsverstoß bei unentgeltlicher Abgabe einer mehrfach verwendbaren Spritze?

Die Abgabe einer mehrfach verwendbaren Spritze (Pen) durch den behandelnden Arzt ist dann keine nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 7 Abs. 1 Satz 1 HWG unzulässige Zuwendung oder sonstige Werbegabe, wenn das Medizinprodukt der Verabreichung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels dient, die erste subkutane Gabe des Mittels nach dem Inhalt der Fachinformation des Arzneimittels notwendig unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen ist und sich eine Übung, dass Konkurrenzprodukte regelmäßig entgeltlich über Apotheken abgegeben werden, auf dem konkret betroffenen Arzneimittelmarkt nicht herausgebildet hat, so dass weder der Arzt noch der Patient in der Abgabe des Pens ein Werbegeschenk erblicken und eine unsachliche Beeinflussung des Fachverkehrs ebenso ausgeschlossen ist wie eine solche der Patienten.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 18.05.2017 – 3 U 180/16
https://goo.gl/3KF1x9

 

Produkthaftungsrichtlinie: Zur Beweislast für den Fehler eines Impfstoffs 

Der Fehler eines Impfstoffs (hier: gegen Hepatitis B) und der ursächliche Zusammenhang zwischen diesem Fehler und einer Krankheit (hier: Multiple Sklerose) können bei fehlendem wissenschaftlichem Konsens durch ein Bündel ernsthafter, klarer und übereinstimmender Indizien bewiesen werden. Die zeitliche Nähe zwischen der Verabreichung eines Impfstoffs und dem Auftreten einer Krankheit, fehlende Vorerkrankungen bei der geimpften Person selbst und in ihrer Familie sowie das Vorliegen einer bedeutenden Anzahl erfasster Fälle des Auftretens der Krankheit nach solchen Verabreichungen können hinreichende Indizien für die Erbringung dieses Beweises darstellen.

Der Ausschluss aller anderen Arten der Beweisführung außer dem auf medizinischer Forschung beruhenden sicheren Beweis hätte die Wirkung, die Inanspruchnahme der Hersteller-Haftung übermäßig schwierig oder, wenn aufgrund der medizinischen Forschung ein ursächlicher Zusammenhang weder bewiesen noch widerlegt werden kann, gar unmöglich zu machen. Die nationalen Gerichte müssen allerdings dafür Sorge tragen, dass die vorgelegten Indizien tatsächlich hinreichend ernsthaft, klar und übereinstimmend sind, um den Schluss zuzulassen, dass das Vorliegen eines Fehlers des Produkts unter Berücksichtigung auch der vom Hersteller zu seiner Verteidigung vorgebrachten Beweismittel und Argumente als die plausibelste Erklärung für den Eintritt des Schadens erscheint.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 21.06.2017 – C-621/15
https://goo.gl/rvg3ve 

Vgl. hierzu erläuternd auch Dr. Rudolf Ratzel in GesR – die Zeitschrift für GesundheitsRecht, Heft 10/2017:
Rechtliche Aspekte des Impfens gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-​Institut (RKI), zugleich Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 21.6.2017 – Rs. C-621/15, GesR 2017, 514 ff.

 

 

2. Aktuelles

 

Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren beschlossen 

Der G-BA hat mit Beschluss vom 21.09.2017 die Verfahrensregeln beschlossen, nach denen Patientinnen und Patienten künftig vor bestimmten geplanten Eingriffen eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einholen können. Geregelt wurde im Zuge dessen auch, über welche besonderen Qualifikationen zweitmeinungsgebende Ärztinnen und Ärzte verfügen müssen und welche genauen Aufgaben sie haben. Der G-BA legte im Übrigen die ersten Eingriffe fest, für die das strukturierte Zweitmeinungsverfahren angewendet werden kann. Hierbei handelt es sich um Eingriffe an den Gaumen- und/oder Rachenmandeln (Tonsillektomie, Tonsillotomie) und Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien).

Die Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren tritt nach Nichtbeanstandung durch das BMG und nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Als ambulante Leistung kann das Verfahren erst dann von Ärzten erbracht und von Patient(inn)en in Anspruch genommen werden, wenn der Bewertungsausschuss über die Höhe der Vergütung im EBM entschieden hat. 

Zum Richtlinien-Beschluss:
https://www.g-ba.de/downloads/39-261-3079/2017-09-21_Zm-RL_Erstfassung-Richhlinie.pdf

 

Neue Gebührenordnungspositionen für die HLA- und HPA-Antikörperdiagnostik 

Die (beispielsweise im Zusammenhang mit Schwangerschaften oder Bluttransfusionen angewendete) HLA-Antikörperdiagnostik wird zum 01.01.2018 im EBM neu gefasst und an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik angepasst. Darüber hinaus wird die Diagnostik thrombozytärer Allo-Antikörper neu in den EBM aufgenommen. Dafür hat der Bewertungsausschuss am 19.09.2017 neue Gebührenordnungspositionen (GOP) beschlossen. Die Vergütung erfolgt extrabudgetär.

Die HLA-Antikörperdiagnostik wird künftig in der Systematik der HLA-Antigendiagnostik als transplantationsvorbereitende Untersuchungen im EBM-Abschnitt 32.3.15.1 und als allgemeine immungenetische Untersuchungen im Abschnitt 32.3.15.2 abgebildet. Die bisherige GOP 32530 zum Nachweis von zytotoxischen Allo-Antikörpern wird gestrichen und als GOP 32915 (Abschnitt 32.3.15.1) und GOP 32939 (Abschnitt 32.3.15.2) fortgeführt. Darüber hinaus werden neue Leistungen zur weiteren Spezifizierung von Antikörpern gegen HLA-Antigene der Klassen I und II in den EBM aufgenommen – jeweils in die Abschnitte 32.3.15.1 und 32.3.15.2. Sie berücksichtigen neue technische Verfahren in diesem Bereich.

Die Untersuchungen zum Nachweis und zur Spezifizierung von Allo-Antikörpern gegen HPA-Antigene werden mit den GOP 32948 und 32949 neu in den EBM-Abschnitt 32.3.15.2 aufgenommen. Bisher konnten niedergelassene Ärzte diese Leistungen nicht abrechnen.

Zum Beschluss des Bewertungsausschusses:
http://www.kbv.de/media/sp/EBM_2018_01_01_BA_402_BeeGFinE_HLA_Antik_rperdiagnostik.pdf

 

 

3. Sonstiges

 

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