2017-04


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

anliegend übersenden wir Ihnen den Newsletter 2017-04.

 

1. Urteile aus dem Medizinrecht

 

Arzt haftet wegen übersehener Malaria-Erkrankung

Ein Arzt kann einer Patientin im Falle eines vorwerfbaren Diagnosefehlers im Zusammenhang mit einer Malaria-Erkrankung nicht den Mitverschuldenseinwand entgegenhalten, diese habe vor dem Aufenthalt in einem Malaria-Risikogebiet keine Malaria-Prophylaxe vorgenommen.

Vor diesem Hintergrund ist ein Arzt, der im Bereitschaftsdienst eine Malaria-Erkrankung der Klägerin mit einem Magen-Darm-Infekt verwechselt hatte, obwohl er von einem vorangegangenen Aufenthalt der Klägerin in Afrika wusste, zur Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 35.000 €, zur Schadenersatzleistung in Höhe von mehr als 10.000 € sowie zum Ersatz weiterer materieller Schäden verurteilt worden.

Das Gericht stellte einen vorwerfbaren „fundamentalen“ Diagnosefehler sowie einen weiteren Behandlungsfehler in Form einer unterlassenen therapeutischen Aufklärung fest. Der Beklagte hätte der Klägerin raten müssen, sich zur genaueren Diagnosestellung in ein Krankenhaus zu begeben. 

Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 21.03.2017 – 8 U 228/11
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:7853923

 

Kein Schmerzensgeld nach Verletzung bei Sportveranstaltung

Für einen bei einem Wettkampf eingesetzten Sportarzt gilt nicht der Behandlungsstandard eines Notfallmediziners, sondern der eines Allgemeinmediziners mit Schwerpunkt Sportmedizin. Bei einer sog. Aushülsverletzung entspricht die Lagerung eines Decollements, bei der dieses direkt mit Eis in Berührung kommt, nicht dem medizinischen Standard.

Der Beklagte war als Sportarzt zur Betreuung eines Sportwettkampfes eingesetzt und befand sich nicht nur zufällig vor Ort. Daher ist sein Pflichtenkreis im Verhältnis zur Klägerin, die zum Unfallzeitpunkt zwar nicht in einem Wettkampf stand, aber zu den Teilnehmern des Sportwettkampfs gehörte, nicht wie der eines Ersthelfers zu bewerten.

Die Beurteilung, ob der Beklagte bei der Versorgung der Avulsionsverletzung der Klägerin Behandlungsstandards verletzt hat, hat sich nicht an den Anforderungen auszurichten, die an einen ausgebildeten Notfallmediziner zu stellen sind. Es handelte sich gerade nicht um eine typischerweise im Verlauf einer sportlichen Wettkampfveranstaltung zu erwartende Verletzung, mit der ein Sportarzt rechnen konnte und musste. Es ist daher auf den Facharztstandard eines Allgemeinmediziners mit Schwerpunkt Sportmedizin abzustellen. Ein nach diesen Maßstäben behandlungsfehlerhaftes Vorgehen des Beklagten hat die Klägerin nicht beweisen können. Es steht nicht fest, dass er bei der Lagerung des Decollements (Hautexplantat) von den hierfür geltenden medizinischen Standards abgewichen ist. 

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 07.03.2017 – 4 U 929/16
https://arge-medizinrecht.de/wp-content/uploads/2017/04/olg-dresden-4-U-929-16.pdf

 

8.000 € Schmerzensgeld wegen mangelhafter Aufklärung vor Sprunggelenks-OP

Ein „Orientierungsgespräch“ mit dem Arzt, das mehr als sechs Monate vor einer Operation stattfindet, stellt wegen des erheblichen zeitlichen Abstands unabhängig von seinem Inhalt keine ausreichende Aufklärung dar. Bei einem zeitlichen Abstand von mehr als sechs Monaten ist nach der Lebenserfahrung nicht mehr davon auszugehen, dass dem Patienten die Vor- und Nachteile sowie die Risiken eines Eingriffs noch gegenwärtig sind.

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 15.11.2016 – 4 U 507/16
- veröffentlicht unter www.juris.de -

 

Zur Reichweite der Aufklärungspflicht hinsichtlich der Gefahr einer Lähmung 

Über das einem ärztlichen Eingriff spezifisch anhaftende Risiko der Lähmung des Beines oder Fußes, das bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet, ist der Patient aufzuklären. Ohne Vorliegen besonderer Umstände gibt es grundsätzlich keinen Grund für die Annahme, der im Rahmen der Aufklärung verwendete Begriff „Lähmung“ impliziert nicht die Gefahr einer dauerhaften Lähmung, sondern ist einschränkend dahin zu verstehen, dass er nur vorübergehende Lähmungszustände erfasst. Damit, dass der Patient einer solchen Fehlvorstellung unterliegt, muss – bei Fehlen entsprechender Anhaltspunkte – der aufklärende Arzt nicht rechnen.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Revision mit Erfolg gegen die Verurteilung mehrerer Beklagter zur Schmerzensgeldzahlung gewandt. In dem Urteil war angenommen worden, der Kläger sei im Vorfeld der Implantation einer Hüftgelenktotalendoprothese nicht ausreichend aufgeklärt worden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.10.2016 – VI ZR 462/15
https://goo.gl/DhkzGe

 

Keine einstweilige Anordnung zur vorläufigen Genehmigung einer Zweigpraxis 

Ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener, in einer überörtlichen urologischen BAG mit insgesamt vier Partnern und Sitz in D-Stadt tätiger Facharzt für Urologie beantragte – ebenso wie seine BAG-Partner – erfolglos die Genehmigung einer Filiale in C-Stadt, zusätzlich zur bereits bestehenden Nebenbetriebsstätte in A-Stadt. 

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sah das Gericht zwar keinen Anordnungsanspruch dahingehend, die geplante Zweigpraxis vorläufig zu genehmigen bzw. die Antragsgegnerin zu verpflichten, vorläufig die Genehmigung der Zweigpraxis zu erteilen. Es gab der zuständigen Behörde jedoch auf, über den Genehmigungsantrag des Urologen neu zu entscheiden.

Das SG sah eine substantielle Verbesserung der Versorgung am Ort der Filiale; urologische Leistungen könnten von dort aus sonst erst in 9 km Entfernung abgerufen werden. Im Hinblick auf die „an Willkür grenzende Ablehnung der beantragten Genehmigung“ seien die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage „zweifelsfrei“ gegeben. Umfangreiche geplante Sprechstundenzeiten und eine deutliche Reduzierung der bisherigen Warte- und Wegezeiten am Filialort seien missachtet worden. Die von der Regionalen Vorstandsbeauftragten angeführten Ablehnungsgründe seien mit der BSG-Rechtsprechung des BSG nicht vereinbar; in beurteilungsfehlerhafter Weise seien Bedarfsplanungsgesichtspunkte geltend gemacht worden. 

Sozialgericht München, Beschluss vom 03.02.2017 – S 28 KA 1/17 ER
http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2017-N-101623?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1

 

Zweigpraxis in 1,5 km Entfernung: Keine Verbesserung der vertragsärztlichen Versorgung

Das bloße Hinzutreten eines weiteren Behandlers stellt noch keine Versorgungsverbesserung im Sinne des § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Ärzte-ZV dar. Erforderlich ist, dass das bestehende Leistungsangebot an dem weiteren Ort, an dem die Zweigpraxis betrieben werden soll, zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer bzw. quantitativer Hinsicht erweitert wird.

Einzugsbereich des Hauptsitzes und Einzugsbereich der Zweigpraxis dürfen nicht deckungsgleich sein. Sind die Einzugsbereiche wegen ihrer räumlichen Nähe identisch, fehlt es an einer Versorgungsverbesserung, weil die Leistungen auch am Hauptsitz angeboten werden können. Bei einer Entfernung von 1,5 km zwischen dem Praxis-Hauptsitz und dem Ort der beantragten Zweigpraxis ist dies der Fall. 

Eine einfachere und mithin bequemere Erreichbarkeit der Zweigpraxis stellt gerade keine Versorgungsverbesserung dar, da mit jeder Zweigpraxis zumindest für einen Teil der Patienten eine Wegezeitverkürzung verbunden ist und das Erfordernis der Versorgungsverbesserung mithin leerliefe. 

Landessozialgericht Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.10.2016 – L 11 KA 63/15
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/sgs/lsg_nrw/j2016/NRWE_L_11_KA_63_15.html

 

Vertragsärzte auch am Ort der Zweigpraxis zum ärztlichen Notfalldienst verpflichtet 

Mit der Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort ist zwingend die Pflicht verbunden, am jeweiligen Notdienst teilzunehmen. Mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung obliegt es dem Vertragsarzt, die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Dem kommt er nach, wenn er kontinuierlich in 24-stündiger Bereitschaft steht oder aber jedenfalls am organisierten ärztlichen Notdienst teilnimmt. Alles andere liefe darauf hinaus, dass Inhaber einer Zweigpraxis einseitig die pekuniären Vorteile des erweiterten Tätigkeitsbereichs in Anspruch nehmen, damit verbundene Verpflichtungen indes negieren könnten.

Der einem Arzt wegen des Betreibens mehrerer Praxen obliegenden erhöhten Mitwirkungspflicht an der Notversorgung ist in der Weise Rechnung zu tragen, dass der Betreffende entsprechend seiner an der Zahl seiner Praxen orientierten größeren Regelversorgung der Bevölkerung entweder – bei Lage seiner Praxen in demselben Notdienstbezirk – mehrfach zum Notdienst in einem Bezirk einzuteilen oder – bei Lage seiner Praxen in mehreren Notdienstbezirken – zum Notdienst in mehreren Bezirken heranzuziehen ist.

Der mit seiner Klage gegen die Verpflichtung zur Teilnahme am Notfalldienst am Sitz der Zweigpraxis in erster Instanz noch erfolgreiche Gynäkologe mit Praxissitz im Zuständigkeitsbereich der KV Westfalen-Lippe betreibt eine Zweigpraxis in BAG im Zuständigkeitsbereich der beklagten KV Nordrhein. Er wurde gemäß Vorgabe der einschlägigen Gemeinsamen Notdienstordnung der KV und der ÄK Nordrhein am Haupt-Tätigkeitsort mit dem Einteilungsfaktor 1,0 und in Bezug auf den Ort der Zweigpraxis mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt.

Landessozialgericht Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.06.2016 – L 11 KA 5/15
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/sgs/lsg_nrw/j2016/NRWE_L_11_KA_5_15.html

 

Privatarzt klagt erfolglos gegen Heranziehung zum ärztlichen Notfalldienst 

Eine Kassenzulassung ist nicht Voraussetzung für die Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Notdienst. Vielmehr ist den Kassenpatienten für den Fall der Notfallbehandlung eigens die Möglichkeit eingeräumt, sich auch durch einen Privatarzt behandeln zu lassen, vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Die Heranziehung auch von Privatärzten durch die genannte Vorschrift und weitergehende Konkretisierungen ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die Privatärzte von der Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung außerhalb der regulären Praxiszeiten auszunehmen.

Die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung spielte hinsichtlich der Heranziehung des Klägers zum Notfalldienst keine Rolle, weil der Betroffene weiterhin privatärztlich war. 

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21.11.2016 – 7 K 3288/16
https://goo.gl/67ZsaI

 

Vertragsarzt scheitert mit Einwänden gegen Umstrukturierung des Bereitschaftsdienstbereichs 

Ein bei der Umstrukturierung des Bereitschaftsdienstbereichs im Rahmen eines zeitlich befristeten Pilotprojekts organisierter Fahrdienst verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Es ist bereits fraglich, ob mit Einrichtung des Fahrdienstes eine Einschränkung der persönlichen Freiheit verbunden ist. Denn letztlich kommt die Einrichtung des Fahrdienstes sowohl den Patienten als auch dem diensthabenden Arzt zugute. 

Ein Verstoß gegen Art. 12 GG liegt ebenso wenig vor. Die geschützte Berufsausübung kann aus Gründen des Gemeinwohls eingeschränkt werden. Die beklagte KV kommt mit der Einrichtung des Fahrdienstes ihrer Fürsorgepflicht den am Bereitschaftsdienst teilnehmenden Ärzten gegenüber nach, die aus ihrem Sicherstellungsauftrag erwächst. 

Rechtliche Bedenken bestehen auch insoweit nicht, als Träger der Bereitschaftsdienstpraxis/-praxen ein privatrechtlicher Verein ist. Sind mehrere natürliche Personen an einer Bereitschaftsdienstpraxis beteiligt, so erscheint es nicht nur zweckmäßig, sondern sogar zwingend geboten, als Organisationsform einen Rechtsträger wie etwa einen Verein zu wählen, der eine eigene Rechtsfähigkeit besitzt. Bei Anfangs-und Erprobungsregelungen ist der KV ein noch über den grundsätzlich schon weiten Gestaltungsspielraum hinausgehender Gestaltungsspielraum zuzubilligen.

Sozialgericht München, Urteil vom 08.02.2017 – S 8 KA 1121/15
- veröffentlicht unter www.juris.de -

 

Klinikarzt hat keinen Anspruch auf Genehmigung der Teilnahme an Experten-Kolleg

Die Teilnahme eines angestellten Oberarztes an einem von einem Medikamentenhersteller veranstalteten sog. Experten-Kolleg inklusive eines Vortrags ist keine privilegierte Nebentätigkeit gemäß § 73 Abs. 2 Landesbeamtengesetz Schleswig-Holstein (LBG SH). Sie steht vielmehr unter dem Verbotsvorbehalt des § 73 Abs. 1 LBG SH.

Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Arzt bei der Verordnung von Medikamenten nicht ausschließlich von der Therapieerforderlichkeit, sondern zudem von sachfremden, mit der Nebentätigkeit zusammenhängenden Erwägungen leiten lassen könnte, muss diese Tätigkeit untersagt werden. Gerade die Möglichkeit, für ein Pharma-Unternehmen eine vergütete Nebentätigkeit ausüben zu können, deren Medikamente der Arzt im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeiten regelmäßig verordnet, birgt die Gefahr, dass er dieses Medikament nicht ausschließlich unter therapeutischen Gesichtspunkten sondern auch deshalb (vermehrt) verordnet, um auch weiterhin lukrative Einladungen zu Vortragstätigkeiten von diesem Pharma-Unternehmen zu erhalten. Eine derartige Motivlage für die Verordnung von Medikamenten verletzt – ganz abgesehen von einer Strafbarkeit nach § 299a StGB – augenscheinlich die dienstlichen Interessen.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.11.2016 – 5 SaGa 5/16
https://goo.gl/XRUjJl

 

 

RLV: Streit um Fallzahl-Erhöhung nach Erkrankung des Vertragsarztes im Aufsatzquartal

Folge einer durch Krankheit eines Vertragsarztes bedingten niedrige(re)n Fallzahl im Aufsatzquartal soll nicht etwa eine Erhöhung der RLV-relevanten Fallzahl sein, sondern eine Vergütung von Leistungen über das arzt-/praxisbezogene RLV hinaus („Vergütung der das Regelleistungsvolumen überschreitenden Leistungen“). 

Für den von einer Berliner Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin angestrengten Rechtsstreit hatte dies zur Folge, dass der Umstand einer krankheitsbedingt niedrigen Fallzahl im Aufsatzquartal nicht im (Rechts-)Streit um ein höheres RLV, sondern nur im den Honorarbescheid betreffenden Rechtsstreit geltend zu machen war. Die Klage der Ärztin war demnach unzulässig. 

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.03.2017 – L 7 KA 110/13
https://goo.gl/24oJq3

 

Richterliche Honorar-Festsetzung nach Sachverständigentätigkeit eines HNO-Arztes 

Ärztliche Leistungen nach den GOÄ-Ziffern 1407, 1409, 1413 sind als „elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen“ nach Nr. 305 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG zu vergüten. Die GOÄ-Nummern 1403, 1404, 1412, 1415, 1418 und 1530 stehen dagegen nicht für technische Verfahren zur Ableitung elektrophysiologischer Potentiale. Dem Antragsteller, einem als Sachverständiger tätigen HNO-Arzt, sind danach 2.785,75 € für technische GOÄ-Leistungen neben seinem Honorar nach dem Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern... (JVEG) zu erstatten.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.02.2017 – L 2 SF 370/15 E
https://goo.gl/oogfvc

 

Zur Hemmung der Anspruchsverjährung bei sozialgerichtlich angeordnetem Ruhen des Verfahrens

Wenn Beteiligte im sozialgerichtlichen Verfahren das Ruhen vor dem Hintergrund einer zu erwartenden obergerichtlichen Entscheidung in ähnlicher Sache oder aus vergleichbaren Gründen beantragen, stellt dies kein Nichtbetreiben im Sinne des § 204 Abs. 2 S. 2 BGB dar.

Für Vergütungsforderungen von Krankenhäusern gegen Krankenkassen gilt auf Grund der Verweisung in § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Gleiches gilt auch für Erstattungsansprüche von Krankenkassen gegenüber Krankenhausträgern. […]

Gemäß § 204 Abs. 2 S. 1 BGB endet die durch die Klageerhebung eintretende Hemmung der Verjährung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens. Nach § 204 Abs. 2 S. 2 BGB tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonstigen mit dem Verfahren befassten Stelle, wenn das Verfahren dadurch in Stillstand gerät, dass die Parteien es nicht betreiben. Sofern für den Zivilprozess angenommen wird, ein den Beteiligten zuzurechnender Stillstand des Verfahrens durch Nichtbetreiben liege auch dann vor, wenn das Gericht gemäß § 251 Abs. 1 ZPO das Ruhen des Verfahrens anordnet, ist diese Annahme auf das sozialgerichtliche Verfahren jedenfalls nicht übertragbar. […] Im vorliegenden Fall wurde das Ruhen von den Beteiligten beantragt, weil eine Positionierung der Finanzverwaltung hinsichtlich des Urteils des BFH abgewartet werden sollte. Hierin liegt kein Verfahrensstillstand durch Nichtbetreiben, sodass die Voraussetzungen des § 204 Abs. 2 S. 2 BGB nicht gegeben sind. Es war für beide Beteiligte erkennbar, dass das Verfahren nach Vorliegen der erwarteten Positionierung fortgesetzt werden sollte.

Sozialgericht Speyer, Urteil vom 23.01.2017 – S 19 KR 521/16
https://goo.gl/aNQhng

 

Erfolglose Klage gegen Versagung einer Dosierungsangabe im BfArM-Registrierungsbescheid

Eine Dosierungsangabe ist nicht Bestandteil der Entscheidung über die Registrierung eines homöopathischen Arzneimittels.

Die wesentlichen Merkmale eines zu registrierenden homöopathischen Arzneimittels lassen sich nur aus den Vorschriften über die Pflichtangaben für Behältnisse und Packungsbeilagen ableiten (§ 11 Abs. 3 i. V. m. § 10 Abs. 4 Satz 1 AMG), nicht hingegen aus dem Katalog der Antragsunterlagen nach § 38 Abs. 2 Satz 1 AMG i. V. m. § 22 Abs. 1 AMG. 

Die Dosierungsanleitung gehört nicht zu den Pflichtangaben nach § 11 Abs. 3 i. V. m. § 10 Abs. 4 AMG, da sie dort nicht aufgeführt wird und sie auch keine weitere gebrauchssichernde Angabe im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 AMG darstellt.

Die Dosierungsanleitung ist auch nicht als freiwillige Angabe in der Packungsbeilage gemäß § 11 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 7 AMG zulässig.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.12.2016 – 13 A 1721/15
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/13_A_1721_15_Urteil_20161205.html

 

Apotheker klagt erfolgreich gegen das Verbot zur Konzentration der Rezepturherstellung in der Hauptapotheke seines Filialverbundes 

§ 17 Abs. 6c S. 2 Nr. 2 ApBetrO lässt die Konzentration der Herstellung von Rezepturarzneimitteln in einer Apotheke eines Filialverbundes zu. Diese Ausnahme zu der Regelung in § 17 Abs. 6c S. 1 ApBetrO, dass Apotheken von anderen Apotheken keine Arzneimittel beziehen dürfen, gilt dem OVG Lüneburg zufolge sowohl für den Bezug von Fertigarzneimitteln als auch für den von Rezepturarzneimitteln. 

Das Gebot der „Vollapotheke“ führt dazu, dass jede einzelne Apothkenfiliale zur Herstellung von Rezepturen personell und räumlich in der Lage sein muss. Darüber hinaus muss sie die Ausgangsstoffe, die für eine Rezepturherstellung regelmäßig notwendig sind, vorhalten. Auch dies führe jedoch nicht zu einer grundsätzlich einschränkenden Auslegung des § 17 Abs. 6c S. 2 Nr. 2 ApBetrO, so das Gericht. Es sei die unternehmerische Entscheidung des Apothekeninhabers, trotz dieser notwendigen Ausstattung jeder seiner Filialen die Herstellung von Arzneien zu konzentrieren.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 21.02.2017 – 13 LA 187/16
https://goo.gl/97Hcvz

 

Zu den Voraussetzungen einer für den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen bindenden Patientenverfügung 

Der Bundesgerichtshof hat sich erneut mit den Anforderungen befasst, die eine bindende Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen erfüllen muss. Im entschiedenen Fall hatte das Amtsgericht den Antrag der durch ihren Sohn vertretenen, sich nach einem Schlaganfall in einem wachkomatösen Zustand befindlichen Betroffenen auf Genehmigung der Einstellung der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr abgelehnt. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und ihres Sohnes hat der BGH die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen.

Denn das Beschwerdegericht habe sich nicht ausreichend mit der Frage befasst, ob sich der von der Betroffenen errichteten Patientenverfügung eine wirksame Einwilligung in den Abbruch der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung entnehmen lässt. Es müsse feststellen, ob der derzeitige Gesundheitszustand der Betroffenen im Wachkoma auf die in ihrer Patientenverfügung konkret bezeichnete Behandlungssituation zutrifft. Sollte dies nicht der Fall sein, habe das LG erneut zu prüfen, ob ein Abbruch der künstlichen Ernährung dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen entspricht. Entscheidend ist dabei, wie die Betroffene selbst entschieden hätte, wenn sie noch in der Lage wäre, über sich selbst zu bestimmen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2017 – XII ZB 604/15
https://goo.gl/RlxtMS

 

2. Aktuelles

 

Verordnungsmöglichkeiten von Leistungen durch Psychotherapeuten geregelt

Auch nichtärztliche Psychotherapeut(inn)en, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, können ihren Patienten Soziotherapie, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Krankenhausbehandlung sowie Krankentransport verordnen. Der G-BA hat am 16.03.2017 die hierfür jeweils zu beachtenden Voraussetzungen sowie den Umfang des Verordnungsrechts beschlossen. Infolge der Änderung von insgesamt vier Richtlinien ist nun beispielsweise für eine Krankenhauseinweisung nicht mehr der „Umweg“ über einen Vertragsarzt notwendig. 

Pressemitteilung und Links zu den Beschlüssen:
https://www.g-ba.de/institution/presse/pressemitteilungen/673/

 

Mukoviszidose: Ärzte können sich ab sofort als ASV-Team anmelden

In der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung können jetzt auch Patienten mit Mukoviszidose behandelt werden. Der entsprechende Beschluss wurde im Bundesanzeiger veröffentlicht und ist am 18.03.2017 in Kraft getreten.

Interessierte Fachärzte können ab sofort beim erweiterten Landesausschuss anzeigen, dass sie Patienten mit Mukoviszidose in der ASV betreuen wollen. Sie müssen dafür bestimmte Anforderungen erfüllen. Die genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung ist bereits die sechste ASV-Indikation.

Beschluss G-BA:
https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/2825/

Richtlinie ambulante spezialfachärztliche Versorgung:
https://www.g-ba.de/downloads/62-492-1367/ASV-RL_2016-12-15_iK-2017-03-18.pdf

 

Kabinett beschließt Gesetzentwurf "Blut- und Gewebezubereitungen"

Das Bundeskabinett hat am 15.02.2017 den Entwurf eines Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften beschlossen. Er bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats und wird voraussichtlich im August 2017 in Kraft treten. 

Gesetzesentwurf:
https://goo.gl/t6bxfa

 

Einführung von Untergrenzen für Pflegepersonal im Krankenhaus vereinbart 

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hat gemeinsam mit den Vertretern der Koalitionsfraktionen und der Länder die Schlussfolgerungen aus den Beratungen der Expertenkommission „Pflegepersonal im Krankenhaus“ vorgelegt. Darin haben sich die Beteiligten darauf geeinigt, die Selbstverwaltung von Krankenhäusern und Krankenkassen gesetzlich zur Vereinbarung von Personaluntergrenzen in Krankenhausbereichen zu verpflichten, in denen dies (wie etwa in Intensivstationen oder im Nachtdienst) aufgrund der Patientensicherheit besonders notwendig ist. Die Vereinbarung soll bis zum 30.06.2018 getroffen und zum 01.01.2019 wirksam werden. Sollte sie nicht rechtzeitig zustande kommen, wird das BMG bis zum 31.12.2018 ersatzweise die ausstehenden Entscheidungen treffen. 

Zu den Schlussfolgerungen:
https://goo.gl/CG8Nbc

 

BVMed und VKD aktualisieren Musterverträge

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) und der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) haben ihre kostenlosen Musterverträge zur Zusammenarbeit zwischen Medizinprodukteunternehmen und medizinischen Einrichtungen überarbeitet. 

Die Verträge enthalten Textvorschläge und Erläuterungen zu verschiedenen Kooperationsformen wie dem Referentenvertrag, dem Beratervertrag, der Unterstützung der Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, dem Sponsoring-/Werbevertrag oder der Geldspende. Das 2016 verabschiedete Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen hatte die Überarbeitung der bisherigen Musterverträge erforderlich gemacht.

Pressemitteilung und Download-Link:
https://www.bvmed.de/de/recht/healthcare-compliance/mustervertraege

 

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3. Sonstiges

 

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Impressum

Herausgegeben vom Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein

Littenstraße 11
10179 Berlin
Telefon 030 – 72 61 52 – 0
Fax 030 – 72 61 52 – 190

V.i.S.d.P.: Rechtsanwalt Tim Hesse, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht

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